Silent Control | Thriller
in Dunkelgrau. Da er fast zwei Meter groß war, konnte er ohnehin keine Konfektion tragen. Er wirkte jungenhaft, obwohl er Ende vierzig war. Das hatte ihm vor allem bei den Wählerinnen Stimmen eingebracht.
Ein Security-Mann öffnete den Wagenschlag, doch der Präsident blieb noch einen Moment im Fond sitzen, um sein Telefonat zu beenden. Um kurz nach zehn Uhr Ortszeit war die Air Force One in Zürich gelandet, und erst dort hatte er von den Unruhen in New York erfahren. Umgehend hatte er eine telefonische Krisenkonferenz einberufen.
Geistesabwesend betrachtete er seine Manschettenknöpfe, während er sein Handy umfasst hielt und einem hohen Beamten der CIA zuhörte, der ihn über den aktuellen Stand der Dinge informierte. Nur widerwillig hatte der Präsident der Ausrufung des Kriegszustands zugestimmt. Es waren die Bilder von den gewalttätigen Ausschreitungen gewesen, die ihn schließlich überzeugt hatten.
Bevor er ausstieg, wandte er sich niedergeschlagen an seinen Berater. »Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich will über jede weitere Entwicklung im Viertelstundentakt unterrichtet werden.« Er schluckte. »Dies ist der traurigste Tag meiner Amtszeit.«
Das Gelände rund um das Kongresszentrum wurde permanent von Sicherheitspatrouillen kontrolliert. Man hatte bei ähnlichen Veranstaltungen unliebsame Erfahrungen mit Demonstranten gemacht. In den letzten Jahren waren sie mehrmals gewaltsam fast durch die Absperrungen gelangt. Ein Albtraum für jeden Sicherheitsexperten. Mit einem enormen Polizeiaufgebot war der Bahnhof abgeriegelt worden, wo jeder Anreisende erst einmal überprüft wurde. Nur wer durch einen Buchungsbeleg einen längeren Hotelaufenthalt nachweisen konnte und seinen Pass dabeihatte, wurde als Tourist durchgelassen. Alle anderen wurden sofort näher untersucht und nicht selten verhaftet, in Busse verfrachtet und bis zum Ende des Kongresses festgesetzt.
Vom Tross seiner Mitarbeiter umgeben, durchschritt der Präsident die Gänge, die zum kühl beleuchteten Konferenzsaal führten. Die Agenda lag bereits auf dem ovalen Konferenztisch an den Plätzen. Sie war äußerst umfangreich, und jeder der Gipfelteilnehmer wusste, dass man zu raschen Ergebnissen kommen musste. Allerdings waren heiße Diskussionen zu erwarten. Schon im Vorfeld hatte der amerikanische Präsident darauf hingewiesen, er wolle mit einem ungewöhnlichen Vorstoß Bewegung in die Debatte bringen. Die weltweite Währungsreform, die bevorstand, sollte nicht von der Bevölkerung getragen werden. Auf diese Weise wollte der Präsident den Menschen ein versöhnliches Zeichen geben, die sich an den friedlichen Protesten beteiligten. Er war das Gegenteil von einem Hardliner. Seine Bereitschaft, sich mit den Lobbyisten anzulegen, die ihm teilweise sogar Wahlspenden hatten zukommen lassen, machte ihm jetzt das Regieren fast unmöglich. Er versuchte, standhaft zu bleiben, wusste aber auch, dass er nicht nur die nächsten Wahlen verlieren würde. Nein! Darum ging es ihm schon nicht mehr. Er hatte den Widerstand unterschätzt, den seine Maßnahmen zur Eindämmung der Krise bei den Geldeliten auslösen würden. Es war nicht möglich, selbst als angeblich mächtigster Mann der Welt, den Wirtschaftslenkern ohne Folgen die Stirn zu bieten, dafür hatten sie zu viele Druckmittel, wie Abbau von Arbeitsplätzen, Erhöhung von Zinsen, Verweigerung von Krediten und vieles mehr. Innerlich hatte er schon längst Verständnis für die Demonstranten, doch wenn er etwas für das Volk durchsetzen wollte, blieb ihm nur die diplomatische Salamitaktik.
Mit erhobenem Kopf steuerte er seinen Platz an. Das Stimmengewirr wurde leiser. Die Politiker, die in kleinen Grüppchen gewartet hatten, starrten ihn an, manche flüsterten nur noch. Er wusste, dass er aneckte mit seinem Argument, zu viele hätten sich zu lange am Selbstbedienungsladen der Finanzmärkte bereichert. Damit forderte er den Widerstand der Banken und Konzerne heraus.
Aber schlimmer noch: Durch die plötzliche Eskalation der gewaltigen Proteste war die Agenda so gut wie hinfällig. Niemand glaubte mehr daran, dass die Demonstranten mit politischen Maßnahmen zu beruhigen wären. Alle politischen Führer, die nach Davos gereist waren, sahen vor allem ihre Macht und die Sicherheit ihrer Nationen gefährdet.
Jetzt stand der Präsident sehr allein da. Die Begrüßungen waren frostig, die Stimmung äußerst angespannt. Er setzte sich an die Stirnseite des Konferenztischs und ordnete seine
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