Silentium
zu seinem Schwiegersohn war, interessiert Sie nicht?»
«Das weiß ich schon», hat der Brenner behauptet.
«Aha.»
«Sein Therapeut hat mir erzählt, daß es in letzter Zeit besonders schwierig war.»
«Therapeut!» hat das Fräulein verächtlich geschnauft.
«Dr. Prader.»
«Bei dem gehen ja die Leute nur in Behandlung, damit sie es nachher nicht so weit zum Hinunterhüpfen haben.»
«Der Präsident hat den Gottlieb anscheinend sehr unter Druck gesetzt.»
«Gottlieb, das arme Unschuldslamm», hat das Fräulein spöttisch geträllert wie die reinste Operndiva. Weil natürlich Mädchentraum Sängerin, aber leider stimmlich mehr auf der schrofferen Seite und Sängerin nicht ideal, Chefsekretärin ideal. Aber manchmal ein bißchen spöttisch trällern, da hat man den Urwunsch noch durchgespürt.
Dann hat sie eine Broschüre herausgekramt und sie dem Brenner unter die Nase gehalten. «Gründergeist» ist in prächtigen Goldbuchstaben auf dem Umschlag gestanden, und der Brenner hat fasziniert mit den Fingern über die geprägten Buchstaben gestrichen.
«Das ist der Privatverein von unserem Vize. Er hat sich zum Ziel gesetzt, den Geist der Gründer der Salzburger Festspiele wieder mehr zu pflegen. Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss.»
«Sehr interessant», hat der Brenner gesagt. Und da hat er doch Fortschritte gemacht gegenüber früher, wo er sich noch nicht so für die klassische Kunst interessiert hat. Weil er hat jetzt gewußt, Strauss Glatteis, da muß man wahnsinnig aufpassen mit den Vornamen, und nicht jeder ist automatisch der Walzerkönig. Hofmannsthal vergleichsweise einfach, weil Hofmannsthal immer Hugo.
«Unser Vize hat seinen Schwiegersohn gebeten, ihm ein Logo für seinen Verein zu machen. Der hat eine graphische Ausbildung gehabt. Er war ja Buchrestaurator, haben Sie das gewußt?»
«Im Bischofsarchiv.»
«Und das hier ist das Ergebnis.» Das Fräulein hat auf vier Noten gezeigt, die dem Hugo von Hofmannsthal auf dem Kopf herumgetanzt sind.
«Sind das die Noten aus einer berühmten Oper?» hat der Brenner gefragt.
«Das hat unser Vize auch geglaubt», hat das Fräulein gekichert und dem Brenner die Noten der Reihe nach vorgelesen: «a – f – d – h!»
«Ein Thema?» hat der Brenner gefragt.
«Ja, ein Thema.» Das Fräulein hat so blumig gekichert, da hat man schon wieder den Sängerinnen-Traum gemerkt. «Erst als alles gedruckt war, hat der Herr Schwiegersohn unseren Vize aufgeklärt, wofür die Noten stehen.»
«Ein modernes Thema?»
Sie hat den Kopf geschüttelt: «Noch schlimmer. Überhaupt kein musikalisches Thema. Die Noten stehen gar nicht für Musik, sondern für eine Abkürzung.»
«Wie heißen diese Noten?»
«a – f – d – h.»
«Aber es sind keine Noten, sondern eine Abkürzung?»
«Alles – für – den – Hugo!»
«Alles für den Hugo!» hat der Brenner gestaunt. Und er hat sich gewundert, daß er dabei an die Tochter vom Vize denken muß, wahrscheinlich, weil sie ihn wie eine Katze aus dem Haus komplimentiert hat und weil man ja auch sagt: Alles für die Katze.
«Der Vize hat das aber überhaupt nicht lustig gefunden», hat das Fräulein seine ewigen gedanklichen Abschweifungen unterbrochen. Sie hat auf einmal so leise geredet, als hätte sie Angst, der alte Bühnenlautsprecher, der die Aufführungen ins Sekretariat übertragen hat, könnte womöglich auch in die Gegenrichtung senden, praktisch Abhörmikrofon, wo der Herr Festspielvize persönlich sein Sekretariat überwacht. «Unter uns gesagt», hat sie geflüstert, «bei seinem erzkonservativen Verein ist wirklich alles ein bißchen –»
«– für den Hugo.»
«Ja», hat das Fräulein Schuh genickt. «So könnte man es ausdrücken. Das war vor einem Monat, daß der Gottlieb die Katze aus dem Sack gelassen hat.»
«Den Hugo.»
«Genau, den Hugo. Und seither hat der Vize kein Wort mehr mit seinem Schwiegersohn geredet.»
«Und was war mit der Tochter?»
«Die steht ja schon viel länger auf Kriegsfuß mit ihrem Vater.»
«Schwärmt sie nicht so für die Hugo-Musik?»
«Die Tochter schon!» ist mit dem Fräulein Schuh wieder die spöttische Opernsängerin durchgegangen. «Die TOochter schOn!» hat sie geträllert, als müßte sie einen Gesangswettbewerb um das rundeste «O» gewinnen.
«Die Tochter schon», hat der Brenner wiederholt. Aber bei ihm hat es nach nichts geklungen. «Und der Vater?»
Sie hat nur spöttisch gelächelt.
«Hat er kein gutes Gehör?» Weil sein Puntigamer
Weitere Kostenlose Bücher