Silenus: Thriller (German Edition)
doch.« Er musterte George von oben bis unten. »Du scheinst noch funktionstüchtig zu sein. All deine … Teile sind einsatzbereit?«
George riskierte ein »Ja?«
»Sehr gut. Sehr, sehr gut. Dann komm mit mir. Setzen wir uns in die erste Reihe, dort können wir uns unterhalten.« Er nickte und sagte zu den beiden anderen Wölfen: »Das wäre dann alles.«
»Was?«, begehrte der näselnde Wolf auf. »Das wäre alles? Was soll das heißen, das wäre alles?«
»Das soll heißen, das ist alles, was ich von euch will«, sagte der Wolf in Rot. »Ihr werdet nicht mehr gebraucht.«
»Du kannst uns nicht herumkommandieren!«, knurrte der fette Wolf. »Wir sind nicht deine Handlanger.«
»Aber wir haben dieses Theater für mich eingenommen, für meine Forschungen«, sagte der Wolf in Rot. »Es gehört mir. Ich bin derjenige, der weiß, worum es bei diesem Projekt geht, und ich bin derjenige, der dafür verantwortlich ist. Und ihr stört. Oder wollt ihr, dass ich …«
Nun sagte der Wolf in Rot etwas, das George nicht verstehen konnte. Es war kein Wort und auch nicht ganz ein Geräusch. Wenn George nicht die Erste Weise in sich getragen hätte und nicht auf die Stille der Wölfe eingestellt gewesen wäre, er hätte es gar nicht gehört. Aber da er es tat, hörte er den Wolf in Rot etwas sagen, das ihm erschien wie eine Eruption reiner, kalter Stille, einer Stille, so total und schrecklich, es fühlte sich an, als hätte er eine heftige Ohrfeige erhalten. Eine Gänsehaut breitete sich explosionsartig über seinen Körper aus, und seine Eingeweide schienen sich zu verflüssigen, und durch die Schatten um sie herum verlief ein scheinbar erwartungsvolles Zittern. Er wusste nicht, was der Wolf gesagt hatte; er wusste nur, dass er es nicht noch einmal hören und ganz sicher niemals wissen wollte, was es zu bedeuten hatte.
Die beiden anderen Wölfe erstarrten angesichts dieser Äußerung. »Das tust du nicht«, sagte der Fette.
»Ich habe die Genehmigung«, entgegnete der Wolf in Rot. »Meine Arbeit wird mit Wohlwollen gesehen und ist mit den nötigen Befugnissen ausgestattet. Ich bin befugt. Und ihr seid es nicht. Und hier und heute werdet ihr nicht länger gebraucht.«
Die beiden Wölfe starrten ihn an. Dann nickte der mit der näselnden Stimme, zog sich in den Schatten zurück und verschwand. Aber der Fette blieb noch und sagte: »Du solltest vorsichtig sein. Deine Arbeit könnte dich verderben. Und vergiss nicht: Wir sind alle Handlanger des einen, den du genannt hast. Und der eine beobachtet dich genau.« Dann zog auch er sich zurück und war verschwunden.
Als sie fort waren, schüttelte der Wolf in Rot kurz den Kopf. »Dumme Dinger«, sagte er. »Sie sind so eifrig, aber sie verstehen nicht recht.«
George war vollends verwirrt. Doch auch wenn dieser Wolf ihm zu absonderlich erschien, um ihm Vertrauen zu schenken, war George fest entschlossen, sich sein Wohlwollen zu bewahren, denn er war das Einzige, was ihn vor schrecklichen Misshandlungen bewahren konnte. Folglich sagte George so höflich er nur konnte: »Entschuldigen Sie, aber …«
Doch der Wolf kreischte: »Nein, nein! Sag jetzt nichts! Bitte nicht! Im Moment sollst du nur … schauen .« Er sprang die Gangstufen hinunter zu der Sitzreihe vor dem Orchestergraben, zeigte auf die sechs Attrappen und sagte: »Schau einfach nur und dann, bitte, sag mir, was du denkst. Sieh genau hin und … oje. Es scheint, als hätte jemand den Kopf des Impresarios entwendet. Aber achte nicht darauf. Bitte, achte nicht darauf und sag mir einfach … was du denkst.«
George wusste nicht, wovon er sprach. Er musterte die schrägen, verkrümmten Gestalten, die seinen Freunden so erschreckend ähnlich waren und sich in der tanzenden Asche in diese oder jene Richtung lehnten. »Das … das soll die Truppe sein.«
»Nun, ja, offensichtlich«, sagte der Wolf. »Aber wie gut sind die Figuren? Sind sie sehr ähnlich? Stimmen sie genau überein? Ich habe Gespräche zu Dutzenden geführt, Theaterkarten zu Hunderten gesammelt … Bitte sag mir, wo ich richtig lag und wo nicht, bitte.«
Der Wolf beobachtete ihn voller Ernst, begierig auf jedes Wort, das er von sich gab. Er erinnerte George an einen Künstler, der sich auf eine Kritik gefasst machte.
»Sie sind extrem ähnlich«, sagte George.
»Aber nicht exakt?«
»Na ja, n-nein …«
»Tststs«, machte der Wolf und wühlte kopfschüttelnd in einem Haufen Papiere. »Was stimmt nicht? Was ist anders? Bitte, lass kein Detail
Weitere Kostenlose Bücher