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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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zerstörten Schlosses fiel klappernd zu Boden. Die Menge lachte, klatschte und johlte. Die starke Frau baute sich über dem Tresor auf und zog an der Tür. Einen Moment herrschte Stille, dann gaben die Scharniere nach und brachen vollständig ab. Sie hielt die abgetrennte Tür hoch, um sie den Zuschauern zu zeigen, und knickte sie dann über einem Knie zusammen wie ein Stück Papier. Als Nächstes warf sie die Tür fort, die mit einem lauten Knall, der im ganzen Theater nachhallte, auf der Bühne landete. George konnte sogar sehen, an welcher Stelle sie die Dielen eingekerbt hatte.
    Doch es war seltsam. Während er bei der persischen Nummer jede Muskelanspannung, jede Dehnung genau hatte sehen können, war bei der starken Frau nichts dergleichen erkennbar. Es war, als würde sie sich gar nicht anstrengen.
    »Ein Teil von dem Zeug muss aus Gummi oder so sein«, murmelte der Mann neben ihm.
    »Ja«, stimmte George zu.
    Er vergaß es wieder, als die starke Frau den Tresor anfasste, sein Gewicht austestete und ihn hochwarf, sodass er sich in der Luft überschlug. Die Zuschauer keuchten entsetzt auf. George war überzeugt, er würde herabstürzen und sie zerschmettern, doch stattdessen landete er mit einem nachhallenden Dong mit der offenen Seite auf dem Ende des Stahlträgers, wo er kreiselnd hängen blieb. Alle Zuschauer applaudierten wie wild. Dann fing sie an, den Stahlträger Stück für Stück abzuknicken, ihn in einzelne Abschnitte zu falten, während der Tresor immer noch am oberen Ende baumelte, bis er schließlich auf Augenhöhe zu ihr hing. Nun nahm sie ihn herunter und stellte ihn auf den Boden, ergriff das Eisenbahnrad, faltete es in der Mitte zusammen und stopfte es in den Tresor. Anschließend schnappte sie sich die Tresortür, faltete sie wieder auseinander (und strich mit den Unterarmen über sie hinweg, um die größeren Dellen zu glätten) und setzte sie wieder in die Scharniere, um das Rad einzuschließen. Doch die Tür fiel heraus und landete klappernd auf dem Boden. Sie versuchte erneut, sie einzusetzen, doch sie fiel wieder heraus, also lehnte sie die Tür an die Vorderseite des Tresors, ergriff einen zweiten Stahlträger und wickelte ihn Stück für Stück um den Tresor, wobei sie ihren Fuß als Hebel einsetzte, bis die Tür festgebunden war. Die Menge brach in Gelächter und Applaus aus, aber sie schien es wieder nicht zu merken, oder es interessierte sie nicht. Es war, als würde sie ihren Auftritt schlafwandelnd vollziehen.
    Ihre ruhige, unbeteiligte Miene änderte sich während ihres restlichen Auftritts nicht im Mindesten. Nicht, als sie die Statuen in die Luft warf und vorsprang, um sie aufzufangen, nicht, als sie sie, eine in jeder Hand, hochhob und auf den Tresor stellte. George fragte sich, ob ihr Gesicht überhaupt zu einer Regung fähig war.
    Als sie ihr großes Finale (Balancieren der Statuen auf den Schultern, während sie deren Pose nachahmte) abgeschlossen hatte, verbeugte sie sich im stürmischen Applaus. Dann drehte sie sich um und ging von der Bühne, ohne sich auch nur einmal umzuschauen. Ihr Auftritt war extrem beeindruckend, aber auch bizarr, fand George. Die starke Frau schien ihr Publikum überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, und es schien sie auch nicht zu interessieren.
    Als der Vorhang zum zweiten Mal fiel, fragte sich George, warum sich niemand an die einzelnen Nummern von Silenus’ Truppe erinnern konnte. Er hatte noch nie zuvor in seinem Leben etwas so Verblüffendes und Amüsantes erlebt, und er war entschlossen, niemals auch nur das kleinste Detail zu vergessen. Doch dann fiel ihm ein, dass ihn immer noch eine weitere Darbietung erwartete.
    Silenus sprang wieder auf die Bühnenecke. »Das, meine Freunde, war die wunderbare Miss Frances Beatty. Da fragt man sich, wie sie in unserer Welt je einen Ehemann finden soll«, sagte er und lächelte. Die Zuschauer, nun guter Stimmung, lachten.
    »Und nun ist der Moment gekommen, in dem ich mich persönlich den erstaunlichen Künstlern auf dieser Bühne anschließen werde«, sagte Silenus. Er trat in die Mitte der Bühne und zog seine Handschuhe aus. Dann nahm er den Zylinder ab, steckte die Handschuhe hinein und warf den Hut in die Kulissen. »Hoffentlich werde ich Sie ebenso beeindrucken und unterhalten, wie sie es heute Abend getan haben«, fuhr er fort. »Andererseits ist meine Rolle nur klein – alles, was ich zu tun habe, ist, sie durch ein Lied zu führen.«
    Zwei andere Künstler traten aus den Kulissen, darunter,

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