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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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Deltamuskels oder eines Trapezmuskels und dachte, sie müsse geschnitzt worden sein. Eine Kreatur von solcher Schönheit konnte unmöglich auf natürlichem Wege geschaffen werden.
    Dann tanzte das Mädchen an den Rand der Bühne und pumpte ihre Konzertina, bis ein Knall sich an den anderen reihte und bunte Bänder und Glitter in zarten Strahlen aus dem Instrument hervorschossen und auf die Zuschauer herniederregneten, was diese mit einem verzückten Lachen quittierten. George erinnerte sich, dass er schon eine Weile nicht mehr geatmet hatte, und gab ein tiefes Keuchen von sich. Dann schluckte er, rutschte auf seinem Sitz herum und versuchte verstohlen, seine gigantische Erektion, die sich plötzlich eingestellt hatte, an einen weniger auffälligen Platz zu manövrieren, während das Mädchen noch immer auf der Bühne hin und her wirbelte, die Konzertina bearbeitete und bunte Papierstreifen in hohem Bogen in den Zuschauerraum jagte, bis George von dem Geschehen gleichsam hypnotisiert war.
    Dann fingen alle an zu klatschen. George zuckte erschrocken zusammen und suchte nach dem Grund für den Beifall. Er sah das Mädchen lächeln. Es verbeugte sich, und sein dichtes, langes schwarzes Haar fiel ihm über das Gesicht. Das Stück hatte offenbar geendet, ohne dass er es auch nur bemerkt hätte. Sie wandte sich ab, um von der Bühne zu gehen.
    »Nein! Nein!«, sagte George.
    Der Mann neben ihm erschrak ein wenig, und die beiden Frauen drehten sich um und musterten ihn finster. »Was ist denn los?«, fragte der Mann.
    »Nein! Können wir … können wir nicht noch mehr klatschen, um sie zurück auf die Bühne zu holen?«
    Der Mann gluckste. »Sie hat es aber schwer erwischt, was?«
    George wusste nicht, was ihn erwischt haben sollte, aber er konnte es sich vorstellen. Auch wenn erwischt nicht der richtige Begriff zu sein schien. Er stöhnte leise und beugte sich vor, als sich in der Gegend seiner Lenden ein dumpfer Schmerz ausbreitete; die ganze Zeit beobachtete er das Mädchen, das Luftküsse verteilend die Bühne verließ.
    George seufzte leise. So wie jetzt hatte er sich noch nie gefühlt. Es war, als hätte man ihm an irgendeiner verborgenen Stelle einen Dolchstoß versetzt, und nun verblutete er ohne eine Chance, den Blutfluss zu stoppen. Allmählich verlor er sich in Tagträumerei – so sehr, fast hätte er nicht einmal gemerkt, dass Silenus wieder auf die Bühne zurückkehrte.
    »Wahrlich, manche sind Diamanten, der Rest von uns nur schlichte Kohlenstücke«, sagte er. »Nur dann und wann ist es uns gegeben, uns im Licht dieser kostbar wenigen zu sonnen und zu begreifen, wie schön wir sein können. Spenden wir Ihrer Majestät Colette de Verdicere noch eine Runde Applaus.«
    Höflich schlug Silenus die in weißen Handschuhen steckenden Fingerspitzen einer Hand in die offene Handfläche der anderen, während die Menge im Saal in frenetischen Applaus ausbrach. Mehr als ein bewundernder Pfiff erklang, und bei diesen Pfiffen flammte der eisige Schmerz in Georges Innerem glühend heiß auf. Doch er vertrieb all die Gedanken aus seinem Kopf und konzentrierte sich wieder darauf, Silenus zu beobachten, der nun in besserer Stimmung zu sein schien.
    »Aber nicht jeder ist eine feingliedrige Schönheit wie Ihre Majestät«, sagte Silenus. »Andere warten mit eher zweckmäßigen Qualitäten auf und sind doch nicht minder bewunderungswürdig. Meine nächste Künstlerin, Miss Frances Beatty, ist Ihnen vielleicht bekannt. Ich entdeckte sie in einer Gießerei, ist das zu fassen? Die Fabrikbetreiber hatten sie angeheuert, auf dass sie mit bloßen Händen Eisen biege und schadhafte Maschinen repariere«, berichtete er und zeigte der Menge seine eigenen Hände.
    Hier und da erklang spöttisches Gelächter im Publikum. Silenus lächelte verhalten und zog affektiert eine Braue hoch. »Einige von Ihnen mögen darüber lachen, ja«, sagte er. »Das habe ich auch getan, als ich die Geschichten erstmals gehört habe. Doch als ich sie sah und erleben durfte, wozu sie imstande ist, ist mir das Lachen im Halse stecken geblieben, so wie es das Ihre nun vielleicht auch tun wird. Ich rate Ihnen, genau hinzusehen. Versuchen Sie, keinen Augenblick zu verpassen, denn es gibt nicht viel, das sich mit den Fähigkeiten von Miss Frances Beatty messen kann!« Er riss einen Arm zur Seite und entschwand erneut von der Bühne, als sich der Vorhang ein weiteres Mal hob.
    George war überzeugt, nichts könnte mit der vorangegangenen Nummer vergleichbar sein

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