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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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mitten in der Nacht verlassen hatte, um einen Zug zu erwischen. Manchmal vermisste er ihre Umarmung und ihre Küche und das Flüstern ihres Schaukelstuhls auf der Veranda; doch dann erinnerte er sich an das erboste Donnern ihrer Stimme und daran, wie hysterisch sie wurde, wenn er auch nur daran dachte, sich ihr zu widersetzen, und vor allem daran, wie sie sich geweigert hatte, mit ihm über seinen Vater zu sprechen. Er wäre, so dachte er, immer noch dort, hätte sie sich nicht an dem Tag, an dem die Silenus-Truppe Rinton verlassen hatte, von ihrem Zorn überwältigen lassen und dem abfahrenden Zug nachgespuckt. Und das war eben das Zeichen gewesen, auf das George gewartet hatte, die Geste, die ihm einen Hinweis darauf liefern konnte, wer sein Vater wirklich war, und kaum hatte er sie erkannt, hatte er sich auf das Thema gestürzt und sie vom Morgen bis in die Nacht mit Fragen gepeinigt, bis sie es schließlich nicht mehr ausgehalten hatte. Sie hatte ihn in den Keller geführt, wo sie eine Zeitung mit einem beschmutzten Foto von Silenus hervorgeholt hatte. Im Dunkeln hatte sie auf das Foto gezeigt und gesagt: »Da. Da.«
    Wie ihn dieses Gesicht in diesen vielen Nächten im Traum verfolgt hatte … Und wie er sich an die Theaterkarte geklammert hatte, die er daheim aus einem Rinnstein gefischt hatte … Und nun hatte er ihn gefunden, den Mann, von dem er einmal geglaubt hatte, er könnte die leeren Stellen in seinem Herzen ausfüllen. Doch in diesem Punkt war George inzwischen nicht mehr so sicher.
    »Ja«, sagte er. »Und nein.« Er nickte. Er verstand, was sie gemeint hatte.
    »Genau«, sagte sie. »Manchmal vermisse ich meine Heimat. Aber dann fällt mir wieder ein, dass ich mich nicht so an sie erinnere, wie sie wirklich war. Ich bin hier besser dran, bei Harry.«
    »Wollen Sie je wieder zurück?«, fragte er.
    »Es gibt kein Zurück.« Sie hob den Kopf und blickte hinaus in den Regen. »Gott, ich hasse die Provinz. Und wir arbeiten offenbar nur in der Provinz. Nie gehören wir zu den Großen, nie versuchen wir, wenigstens in der Nähe der großen Städte aufzutreten. Nicht, wenn wir nicht müssen. Du hast doch bestimmt schon vom Palace gehört, nicht wahr, George?«
    »In New York? Ich habe davon gelesen, gewiss.« Das Palace Theater war das Epizentrum des Vaudevilletheaters und Privateigentum von Benjamin Franklin Keith, dem Begründer des Keith-Albee-Circuits höchstpersönlich. Für reisende Vaudevillekünstler, berühmt oder nicht, war ein Auftritt auf dieser Bühne nahezu gleichbedeutend damit, die Erde hinter sich zu lassen und ihren Platz zwischen den Sternen einzunehmen.
    »Ja«, sagte Colette. »Ich habe es einmal gesehen, weißt du?« Sie blickte ihn an, und George wusste, dass sie von ihm erwartete, beeindruckt zu sein.
    »Wirklich?«, fragte er.
    »Ja. Bei einer der wenigen Gelegenheiten, zu denen wir in New York waren. Ich bin den ganzen Weg nach Downtown gelaufen, um es nur einmal zu sehen. Ist ein komisches Gebäude, groß und schmal, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin nicht reingegangen, weil ich nicht genug Geld hatte. Alles, was ich zu sehen bekommen habe, war die verdammte Fassade. Aber ich wusste, das ist der Ort, an dem ich sein sollte. Dort drin, auf der Bühne. Nicht hier draußen in der Provinz. Wo ich mit einem Rudel Bauerntölpel Schwarzgebrannten trinke und Billard spiele.«
    »Na ja, ich bin überzeugt, man muss nur hart genug arbeiten und die richtigen Leute kennen«, schwafelte George klug daher.
    Colette maß ihn mit einem durchdringenden Blick. »Willst du etwa andeuten«, fragte sie, »dass ich nicht hart gearbeitet habe?«
    »Nein!«, sagte George. »Das kann ich bestimmt nicht behaupten. Manchmal brauchen diese Dinge einfach Zeit, verstehen Sie.«
    »Und was weißt du über Zeit?«, fragte sie. »Wie lange bist du schon in diesem Geschäft?«
    George errötete. »Ich habe mehr als sieben Monate hervorragende Arbeit als Hauspianist geleistet«, sagte er mit allem Stolz, den er aufbringen konnte.
    Colette starrte ihn an. Dann brach sie in Gelächter aus. »Oh Gott«, prustete sie. »Für einen Moment war ich ernsthaft beleidigt.«
    »Ich weiß nicht, was so witzig sein soll«, schmollte George. »Wie lange sind Sie schon in diesem Geschäft?«
    »Vier Jahre«, sagte Colette. »Seit ich so alt war wie du, schätze ich.«
    »Tja, dann kann es ja kaum länger gewesen sein.« Inzwischen wünschte er aus tiefstem Herzen, er würde den Tweedmantel tragen. Er war überzeugt, dann

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