Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
Wir alle haben unsere Vorlieben, und sie sind meist verloren, wenn das Gut wechselt.«
    »Ja, doch du musst zugeben, dass ihre Werke absurder sind als die meisten, Notus«, sagte der alte Mann.
    »Warum?«, fragte die Frau in Blau. »Ich verlange eine Antwort. Ich weiß, diese Zusammenkunft und das Gut dieser Jahreszeit gehören ihm, aber er kann nicht einfach nach Belieben Kränkungen aussprechen. Ich verlange Genugtuung.«
    Sie drehten sich zu dem alten Mann um. »Nun, Boreas?«, fragte der Mann in Orange.
    Der alte Mann lächelte bösartig. »Die Antwort ist einfach. Der Grund, warum ihre Vorlieben so absurd sind, ist, dass sie sie pflegt, weil sie die Liebe dieser Menschen sucht.«
    »Das ist nicht wahr!«, sagte die Frau.
    »Es ist wahr«, konterte der alte Mann. »Du sehnst dich nach Bewunderung, nach Verehrung. Du bist genauso schlimm wie sie .« Und damit richtete der alte Mann seinen Blick auf das Mädchen.
    Der Mann in Orange und die Frau folgten seinem Beispiel und fixierten das Mädchen mit finsteren Mienen. Obwohl keiner von ihnen dem anderen viel Achtung entgegenzubringen schien, erfuhr das Mädchen die größte Geringschätzung.
    Das Mädchen in Grün blickte zu den anderen auf und zuckte mit den Schultern. »Ich verführe niemanden, mich zu lieben«, sagte es.
    »Wir alle wissen, dass das nicht wahr ist«, erwiderte der Mann in Orange. »Von dir singen sie mehr als von jedem anderen von uns. Sie freuen sich für dich und lachen bei deinem Anblick voller Frohsinn.«
    »Aber ich tue nichts, um sie dazu zu bewegen«, verteidigte sich das zierliche Mädchen. »Sie erfreuen sich aus eigenem Antrieb.«
    »Das ist eine Lüge«, sagte die Frau. »Du hast sie zum Narren gehalten. Mit deinen Tricks. Mit deinen Blüten und deinem Grün. Sie können die Schönheit eines Blattes von feurigem Rosa nicht erkennen. Sie lieben nicht den Kuss des Frostes.«
    »Oder die heiße Umarmung einer Gewitterböe«, fügte der Mann in Orange hinzu.
    »Oder Schneewälle, schön wie Zuckerguss, oder die düstere Perfektion eisbedeckter Ebenen«, ergänzte der alte Mann. »Es ist wahr. Du hast stets um ihre Gunst gebuhlt.«
    »Nein«, sagte das Mädchen. »Ich mische nur.«
    »Du mischst?«, rief der alte Mann. »Was soll das bedeuten?«
    »Ich versuche es jedenfalls«, erklärte das Mädchen. »Ihr drei habt alle eure Lieblingskreationen. Nasse Gewitterstürme und Frost und kahle Ebenen. Das sind Extreme. Ich bevorzuge das Moderate, das Milde. Ein leichter Regen, ein sanfter Wind, kühle Hitze, wenn ich eine finde, die ich hüten kann. Extreme interessieren mich nicht. Auch keine Symphonien am Himmel. Ich ziehe Sanftmut vor. Ist es meine Schuld, wenn sie das lieber haben? Wenn die Blumen und die Felder deswegen frohlocken?«
    »Ja«, sagte der Mann in Orange.
    »Ja«, sagte die Frau.
    »Eindeutig ja«, sagte der alte Mann. »Meine Werke lehnen sie am meisten ab. Sie lehnen sie einfach ab, hörst du? Ich bringe Wochen damit zu, eine milde Masse Schnee zu formen und Wolken reinen Graus zu bilden. Doch sie haben meinen Namen vergessen, sie haben all unsere Namen vergessen, nur an deinen erinnern sie sich. Weil du sie verdorben hast.«
    »Weil du sie getäuscht hast!«, warf ihr der Mann in Orange vor.
    »Weil du nichts zu geben hast«, fand die Frau. »Unter dem nächsten Gut werde ich keine Gelegenheit haben, das zu sagen, also tue ich es jetzt. Es liegt daran, dass du eine Kreatur ohne Originalität bist, ohne Inspiration, ohne Leidenschaft. Dir fällt einfach nichts ein, was du für sie schaffen könntest. Also gibst du ihnen gar nichts. Aus purem Zufall haben sie Gefallen daran gefunden. Sie lieben es. Und nun ignorieren sie uns. Wegen deiner Torheit.«
    Bis jetzt hatte George nicht so recht verstanden, worum sich das Gespräch dieser Leute drehte. Sie kamen ihm seltsam vor, möglicherweise wahnsinnig, obwohl sie auftraten wie Könige und Königinnen. Aber George erkannte Grausamkeit, wenn er sie vor sich hatte. Vielleicht lag es an all den Demütigungen, die er seiner Ansicht nach durch die Truppe erfahren hatte, jedenfalls konnte er nicht anders, als mit dem Mädchen zu fühlen, und so stieß er, als er es nicht länger aushielt, die Klappe auf, kletterte hinaus und rief: »Das reicht!«
    Alle vier starrten ihn verblüfft an. Der alte Mann wäre beinahe umgekippt. Als George sich aufrichtete, lösten sich kleine, schwarze Wolken aus seinen Kleidern. Er sah an sich herab und stellte fest, dass er von Kopf bis Fuß mit

Weitere Kostenlose Bücher