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Silenus: Thriller (German Edition)

Silenus: Thriller (German Edition)

Titel: Silenus: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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diesen Teil zu glauben.« Er füllte sein Glas nach, nippte daran und verzog das Gesicht. »Wer weiß schon, warum der Schöpfer gegangen ist? Wir wissen zu wenig, um Vermutungen darüber anzustellen, was in seinem Geist vorgeht. Ich weiß nicht einmal, warum er die Welt geschaffen hat oder welche Absicht er verfolgt haben, welchem Impuls er gefolgt sein mag. Jedenfalls noch nicht. Aber manchmal gehen die Leute einfach, Junge. Du darfst dich nicht davon beherrschen lassen, dass sie gehen oder schon fort sind. Wir alle müssen heute die Schöpfer unseres eigenen Lebens sein.«
    George beugte sich tiefer über seine Tasse. Er war erschüttert, sagte aber nichts.
    Aber Stanley legte die Stirn in Falten, nahm seine Tafel zur Hand und schrieb: ES IST ABER AUCH MÖGLICH, DASS DER SCHÖPFER NICHT GEGANGEN IST.
    Silenus drehte sich auf seinem Stuhl um, um zu lesen, was Stanley geschrieben hatte. Dann verdrehte er die Augen und sagte: »Wenn er noch hier ist und uns zusieht, dann verhält er sich erstaunlich still. Niemand hat die Hand des Schöpfers irgendwo auf der Welt gesehen, seit sie geschaffen wurde. Aller Wahrscheinlichkeit ist er weggegangen, auch wenn ich nicht weiß, wohin.«
    Stanley schrieb: WIR HABEN DIE WEISE. DAS KANN KEIN ZUFALL SEIN. ER HAT UNS EIN WERKZEUG ZURÜCKGELASSEN, DAS UNS HILFT ZU ÜBERLEBEN.
    »Die Weise wurde erst entdeckt, als schon so viel verloren war«, sagte Silenus. »Der Schöpfer hat eine seltsame Art, sich um das zu sorgen, was er gemacht hat, wenn er zulässt, dass so etwas passiert. Er hat uns verlassen, und dass die erste Weise zurückgeblieben ist, war ein Versehen. Sie ist nur ein Echo. Man singt keine Weise in der Absicht, ein Echo zu erzeugen.«
    Die Kreide klackerte und kratzte: ABER EIN ECHO, DAS SO PERFEKT FUNKTIONIERT?
    »Der Schöpfer hatte auch nicht die Absicht, die Wölfe auf uns loszulassen, und die funktionieren perfekt, wenn es um Zerstörung geht. Soll das etwa ein Teil der ursprünglichen Absichten des Schöpfers sein?«
    Stanleys Gesicht war zu einer Miene mit einem seltenen Ausdruck von Enttäuschung erstarrt, und Silenus kehrte seinem Freund eisern den Rücken zu, als wollte er ihn nur dann ansehen, wenn er die nächste Antwort zu lesen bekam. George hatte den Eindruck, er würde Zeuge der Wiederaufnahme eines uralten Streits zwischen den beiden Männern, eines Streits, der im Laufe der Zeit mehr als genug Narben hinterlassen hatte. Stanleys Kreide klickte und klackte vor sich hin, ehe er die Tafel umdrehte, um Silenus zu zeigen, was er geschrieben hatte.
    KÖNNEN NICHT BEURTEILEN, WAS WIR NICHT VERSTEHEN. DU SAGST, DIE GESCHICHTE VERSUCHT, GRÖSSEREN DINGEN SINN ABZURINGEN, ABER WIR VERSTEHEN DIE GRÖSSEREN DINGE NICHT.
    »Ich verstehe, was uns genommen wurde«, sagte Silenus. »Und wer. Mehr muss ich nicht verstehen, und es kann keinen Grund geben, der das rechtfertigen würde. Jedenfalls keinen überzeugenden.«
    DU KANNST EINEN PLAN NICHT BEURTEILEN, WENN DU IHN NICHT GANZ ERFASSEN KANNST.
    »Du hast recht, ich kann den Plan nicht erfassen«, blaffte Silenus. »Aber wenn der Plan des Schöpfers so viele sinnlose Tode vorsieht, dann ist ER ein Hurensohn!«
    Aufgebracht knallte Stanley die Tafel und die Kreide neben sich auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Silenus beachtete ihn nicht, sondern kippte zornig noch mehr Wein in sich hinein. Mürrisch murmelte er: »Scheißphilosophie. Sehe ich, der ich billigen Samt trage und pisswiderlichen Madeira trinke, für dich aus wie ein Philosoph? Ist es meine Aufgabe, die großen Fragen zu beantworten und beschissene metaphysische Spekulationen anzustellen?« Seine Fragen galten Stanley, auch wenn er sich immer noch weigerte, ihn anzusehen. »Nein. Um Himmels willen, wir haben alle ein Messer an der Kehle. Warum vergeuden wir unsere Zeit mit derlei Fragen, wenn es doch so viel gibt, worum wir uns sorgen müssen? Ich habe kein Interesse an der Hand, die mich geschaffen hat, nur daran, die Bretter unter den Füßen und die Gleise vor uns zu behalten.«
    Aber Stanley beachtete ihn nicht, und wenn er auch hörte, was Silenus gesagt hatte, so war er offenbar nicht bereit, darauf einzugehen. Silenus sah George an, als würde er mit Unterstützung rechnen. »Ich bin auch der Meinung, dass wir manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen, aber was interessiert uns der Wald, wenn wir nicht einmal die verdammte Straße finden können? Kannst du mir folgen, Junge?«
    George zuckte mit den Schultern. Dann dachte

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