Silicon Jungle
des Unternehmens. Genau wie in Berkeley mangelte es nicht an interessanten und herausfordernden Problemen, die es zu lösen galt. Im Unterschied zu Berkeley bot Ubatoo zusätzlich den Kick, dass man mit seiner Arbeit innerhalb weniger Minuten nach Vollendung Einfluss auf das Leben von Abermillionen Menschen ausüben konnte. Veränderte man nur ein Element auf der Website, sah ein großer Teil der Weltbevölkerung umgehend die Auswirkungen.
Atiqs Data-Mining-Abteilung war darauf spezialisiert, in gewaltigen Rohdatenbanken Trends und Muster aufzuspüren. Alle Daten, die Ubatoo von jeder Seite im Web sammelte, sowie die riesige Anzahl von Interaktionen, die jeder einzelne User mit Ubatoo hatte, wurden ständig von irgendeinem der Computerprogramme der Data-Mining-Gruppe analysiert. Diese Programme liefen täglich rund um die Uhr und suchten nach Mustern, um besser zu verstehen, was der User tat, was der User tun wollte und was Ubatoo besser machen könnte, um den Bedürfnissen des Users besser zu entsprechen. Und die Entlohnung, die Atiq für seinen Erfolg einstrich, übertraf seine kühnsten Träume. Sie würde noch seinen Enkelkindern und vielleicht sogar deren Kindern ein sorgloses Leben sichern. Die übertriebenen Versprechungen des Anwerbers hatten sich bewahrheitet – das Gehalt, die Kollegen und die Arbeit hier waren in der Tat außergewöhnlich.
All das ging ihm heute durch den Kopf, weil Xiao Ming, Ubatoos Boss, genau heute Atiqs ehrgeizigstes Projekt offiziell bekannt machen würde. Touchpoints , ein Projekt, dessen Entwicklung zwei Jahre gedauert hatte. Atiq hatte geduldig gewartet und alle im Touchpoints-Team beschworen, genauso geduldig zu sein, bis alles so ausgereift war, dass er Xiao erlaubte, es im Unternehmen allgemein bekannt zu geben. Jetzt, nach Abschluss der ersten Testrunde, war er bereit für die Lobeshymnen, die sein Team mit Sicherheit ernten würde. Was wiederum die Frage aufwarf, ob er sich noch immer als bescheidenen Mann bezeichnen konnte.
Der Saal, in dem Ubatoos »Motivationsmeeting« stattfand, war restlos überfüllt. Xiao Ming hatte fünfzehn Minuten zuvor die Bühne betreten und sah sich noch einmal die Finanzergebnisse des letzten Quartals und die jüngsten technologischen Meilensteine an. Die rund tausend Mitarbeiter, die es in den Saal geschafft hatten, ließen sich die extravaganten Aperitifs und Häppchen schmecken, die von Ubatoos Meisterköchen für die Veranstaltung zubereitet worden waren. Die übrigen elftausend Mitarbeiter, die sich auf die Gebäude des Palo-Alto-Geländes wie auch auf Büros in Tokio, Peking, Melbourne, London, Rio de Janeiro, Bangalore und Moskau verteilten, schauten sich Xiaos Vortrag bequem von ihren Schreibtischen aus an – per Live-Übertragung auf ihren Monitoren, höchstwahrscheinlich in einem kleinen Fenster, während das Projekt, an dem sie gerade arbeiteten und das sie ungern unterbrechen wollten, den restlichen Monitor ausfüllte.
Lynn Wiser, frisch ernannte Vice President bei Ubatoo, die leicht an ihrer Geringschätzung für Bürokluft und an ihrer Vorliebe für grellbunte Baseballmützen zu erkennen war, bahnte sich einen Weg zu Atiq.
»Atiq«, sagte sie. »Xiao will heute über dein Projekt sprechen. Ich hab die Präsentation gesehen, bevor er auf die Bühne gegangen ist.«
Atiq spürte unwillkürlich Vorfreude in der Brust aufsteigen.
»Xiao ist, glaub ich, nicht ganz glücklich damit«, sagte Lynn besorgt.
Panik. »Wieso? Was stört ihn denn? Wir haben sehr hart gearbeitet. Sämtliche Tests laufen einwandfrei. Was will er noch? Was sollen wir denn sonst noch …«
»Er schimpft doch immer, Atiq. Er will einfach mehr. Es gefällt ihm nicht, dass du das Touchpoints-Team so klein gehalten hast. Er denkt, wenn du mehr Leute eingestellt hättest, wäre das Projekt längst weiter.«
Wenn Xiao ein vernünftiger Mann gewesen wäre, hätte Atiq ihm all die erstaunlichen Erfolge aufzählen können, die das Touchpoints-Team allein in den letzten sechs Monaten erzielt hatte. Aber er wusste, dass er bei ihm auf taube Ohren stoßen würde.
»Wie schlimm wird es heute werden?«, fragte Atiq zögerlich.
»Oh, Xiao wird uns wie immer mit verhaltenem Lob vernichten. Du kennst ihn – er ist und bleibt ein Diplomat. Tut mir wirklich leid, Atiq. Ich weiß, du hast dir vom heutigen Tag wahrscheinlich mehr versprochen, und du hast weiß Gott mehr verdient.«
Die Präsentationsfolie, auf die Atiq gewartet hatte, »Touchpoints: Unsere User
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