Silicon Jungle
haben, auf die Dinge, die sie mit einer unserer Kreditkarten bezahlt haben, und auf die Postleitzahlen ihrer Privatadressen. Sie haben außerdem Zugriff auf sämtliche Internetsuchen, die sie im letzten Jahr getätigt haben.
Die Ihnen für diese Aufgabe zur Verfügung stehende Zeit beträgt zwölf Stunden. Wir raten Ihnen dringend, Informationen von außerhalb als Hilfsmittel heranzuziehen. Was immer Sie finden, ist zulässig.
Zwölf Stunden – das hieß, bis drei Uhr morgens. Die Aufgabe war umfangreich, allein wegen der Daten, die er sichten durfte: E -Mails, Postleitzahlen von Privatadressen und Kreditkartendaten. So machte Ubatoo Geld – indem das Unternehmen seine User verstand und wusste, was ihnen verkauft werden konnte und wie. Trotz der riesigen Zahl von Diensten, die Ubatoo anbot, war es im Kern ein Werbeunternehmen, eine unermüdliche und gnadenlos effiziente Werbemaschine.
Stephen schaute sich um und sah, dass die Hälfte der Plätze leer waren. Er vermutete, dass die anderen gerade wohl eine Pause machten, und ging los, um sich ebenfalls etwas zu essen zu holen. Doch am Büfett traf er bei weitem nicht die vielen Menschen an, die er dort erwartet hatte.
»Wo sind denn alle?«, fragte er einen Typen, der unschlüssig vor den Hauptspeisen stand und sich nicht zwischen Lachs- und Rinderfilet entscheiden konnte.
»Keine Ahnung«, erwiderte der, »ich glaub, bei den meisten anderen ist es nicht so gut gelaufen. Schätze, die haben keine zweite Aufgabe mehr bekommen.«
»Oh«, sagte Stephen. In seiner Geistesverfassung fiel ihm nichts Intelligenteres ein.
»In meiner Gruppe, Kryptografie, munkelt man, dass über die Hälfte von uns schon in die Wüste geschickt worden sind.« Schließlich entschied er sich dafür, sich nicht zu entscheiden, und schaufelte sich eine ordentliche Portion Lachs- und Rinderfilet auf den Teller. »In welcher Gruppe bist du?«
»Data Mining. Hab gerade mit der zweiten Aufgabe angefangen.«
»Hoffe, du schaffst es. Ich muss los. Hab noch jede Menge zu tun«, sagte der unschlüssige Esser, der sogleich zurück zu seinem Platz hastete und noch im Laufen sein Essen in sich hineinstopfte.
Stephen setzte sich an einen leeren Tisch, versuchte, langsam zu essen, versuchte, sich davon zu überzeugen, dass fünfzehn Minuten Pause unerlässlich waren und sich ganz sicher bezahlt machen würden. Aber vergeblich. Er schlang sein Essen in weniger als drei Minuten herunter, verbrannte sich Lippen und Zunge an einem brühheißen Kaffee und rannte fast zurück zu seinem Computer.
Sobald er wieder vor dem Bildschirm saß, kam es ihm albern vor, dass er sich so beeilt hatte. Das Problem war noch immer genauso ungelöst wie zuvor. Noch immer musste er die Nadel im Heuhaufen finden, aus einer Masse von hunderttausend Leuten achtunddreißig herausfiltern. Er stierte bloß auf den Bildschirm, der noch immer gleichmütig die zweite Aufgabe anzeigte.
Stephen schob die Tastatur zurück und stützte die Ellbogen auf den Tisch, den Kopf in den Händen. Er hielt die Augen geschlossen. Fang mit dem an, was du weißt. Was verriet eine Postleitzahl? Sie konnte allerhand verraten: Wie wohlhabend jemand war, was für ein Haus er besaß. All diese Informationen waren im Netz frei verfügbar – das Amt für Statistik sammelte dergleichen und mehr. Er wusste auch, dass er eigentlich so gut wie jeden aussortieren konnte, der zu oft bei GreeneSmart einkaufte. Er hatte schon ziemlich lange kein 161 000-Dollar-Auto auf dem Parkplatz stehen sehen. Aber was für Muster gab es noch? Er konnte jeden aussortieren, der seine Besorgungen regelmäßig selbst erledigte oder beim Discounter einkaufte. Okay, das alles ging aus den Kreditkartendaten hervor.
Was deutete sonst noch darauf hin, dass jemand ein teures Auto kaufen würde? Der Job? Vielleicht. Auch das korrelierte gut mit den Postleitzahlen. Was noch? Was könnte ihn überzeugen, ein so teures Auto zu kaufen, fragte er sich. Eigentlich nichts. Aber seine Freunde könnten versuchen, ihn zu überzeugen. Welche Freunde? Freunde, die sich selbst ein Auto für über 161 000 Dollar gekauft hatten. Zumindest würde er, wenn er sich so ein Auto gekauft hätte, seine Freunde zu überreden versuchen oder ihnen zumindest davon erzählen. Irgendetwas Derartiges musste in den E-Mails zu finden sein. Was war mit Fotos von dem Auto? Auch das könnte hilfreich sein. Und wenn man drauf und dran wäre, sich zum Kauf eines Autos überreden zu lassen, würde man nicht
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