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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shumeet Baluja
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erleuchteten Tisch und blickten einander beklommen an. Sie hatten zwar nicht genau gewusst, was sie erwartete, damit aber hatten sie nun wirklich nicht gerechnet.
    »Weiß jemand von euch, wo wir hier sind?«, ergriff Stephen als Erster das Wort. Seine Stimme ging fast unter in dem Lärm, den all die anderen Partygäste verursachten –Ubatoo-Mitarbeiter und etliche von Ubatoos großen Werbekunden. Er deutete auf die beiden mit Fresken bemalten, ungemein hohen Kuppeln über ihm und hob fragend die Schultern. Die imposante Architektur einer gotischen Kirche traf in diesem Raum auf den Protz frisch gedruckter Millionen.
    »Wir sind in Xiaos Haus«, meinte Aarti, die einzige Frau in der Vierergruppe. Sie sprach gedehnt wie eine Südstaatlerin, doch mit der Kultiviertheit einer Britin. Aarti ließ sich am besten als Audrey Hepburn mit dunklem Teint beschreiben. Alles an ihr, angefangen beim zierlichen Körper über ihr Outfit (tadellos sitzender Bleistiftrock mit sittsamem taubengrauen Twinset) bis zum Haar, das sie elegant im Nacken zusammengesteckt trug, ließ sie einer anderen, höheren Klasse zugehörig erscheinen als alle anderen am Tisch.
    Neben ihr saß Kohan. Die beiden boten einen kuriosen Anblick, denn zwar war Kohan wie Aarti Inder, aber damit endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Er war ein kleiner, rundlicher Mann mit einem auffälligen dicken schwarzen Schnurrbart, den er laufend mit den Fingern bearbeitete. Wenn er die Hand einmal nicht am Bart hatte, tippte er wie wild irgendetwas in seinen BlackBerry. Er trug eine Art kariertes Cowboyhemd mit Paspeln über den Brusttaschen, dazu ein Bolotie, eine überdimensionierte Gürtelschnalle und braune Reitstiefel.
    »Xiao hat sechs Häuser gekauft und abreißen lassen, um den Palast hier zu bauen. Genau das ist für mich typisch Ubatoo«, sagte Kohan ehrfürchtig.
    Ihre Blicke wanderten durch den Marmorsaal mit den hoch aufragenden Glaswänden und den Gemälden, die, wie sie vermuteten, Originale waren.
    »Die Frage, die sich mir stellt, ist, wieso wir hier sind«, sagte Kohan und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Vielleicht sind wir ja das Unterhaltungsprogramm.«
    »Dass wir hier sind, ist wahrscheinlich eine schlecht durchdachte Strategie, die sich irgendein Marketingfuzzi in der letzten Minute hat einfallen lassen, um zu zeigen, wie groß das Data-Mining-Team ist«, schaltete sich nun auch William, der Vierte am Tisch, in die Unterhaltung ein. »Ich würde mir nichts darauf einbilden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendwen interessiert, ob wir hier sind oder nicht.«
    »Du bist ja ein noch größerer Miesepeter, als ich in Erinnerung habe«, erklärte Aarti, mit einer gehörigen Portion Geringschätzung in der Stimme. »Hört nicht auf ihn, ich kenne William seit Jahren. Sein Humor ist eher von der spröden Sorte.«
    »Champagner?«, sagte eine Stimme. Ein Mann in rot-goldener Uniform, der einen übertrieben großen Turban trug, aus dem eine riesige Pfauenfeder aufragte, hielt ihnen ein Tablett mit Champagnergläsern hin. Stephen nahm sofort eines davon und nach ihm alle anderen außer Kohan, der sich ungeniert gleich zwei Gläser nahm.
    »Gentlemen und – nicht zu vergessen – Gentlewoman«, sagte Kohan, »ich erhebe mein Glas und trinke auf Erfolg, und zwar Erfolg mit Stil.«
    Stephen nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln. »War ganz schön hart letzte Nacht«, sagte er. »Ich hatte zwar gehört, dass sie die Messlatte hoch legen würden, aber daran hätte ich nicht im Traum gedacht. Ich hab mir eine Stunde lang das Hirn zermartert, bis ich eine Idee für die Sache mit dem Autokauf hatte.«
    »Letztes Jahr, als ich woanders Praktikant war, haben wir solche Sachen andauernd gemacht. Das war nahezu ein Paradebeispiel«, sagte Kohan. Dann schob er rasch hinterher: »Aber wenn du so was noch nie gemacht hast, kann ich mir vorstellen, dass es ganz schön hart war, erst recht unter Zeitdruck.«
    »Die erste Aufgabe war banal, wenn ihr mich fragt«, sagte William. »Die hatte ich in einer halben Stunde gelöst. Bei der zweiten hab ich die achtunddreißig Leute auf zwei verschiedenen Wegen gefunden, bloß zur Kontrolle meiner Lösung. Auch kein großes Problem.«
    Stephen fand, dass »Miesepeter« vielleicht nicht die passendste Bezeichnung für William war. Er sträubte sich zwar gegen Stereotype, aber es war schwer, in William nicht das verhaltensgestörte, hochnäsige, mürrische, abstoßende Klischee eines Informatikers zu sehen.

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