Silicon Jungle
im Internet recherchieren? Er würde das auf jeden Fall.
Also, zunächst die Basisarbeit. Eruieren, was für Autos mindestens 161 000 Dollar kosten. Wir kennen vierzig Leute, die eines gekauft haben. Wer sind ihre Freunde? Ihre E -Mails lesen. Rausfinden, wem sie davon erzählt haben. Wer von denen hat nach diesen Autos gesucht? Wir haben die Automarken, und jetzt haben wir einen Kreis von Freunden, die sich möglicherweise so eins gekauft haben. Wir wissen, wo sie wohnen und wie viel ihre Häuser ungefähr wert sind – das verrät ein Blick in die offiziellen Statistiken und auf ein paar Immobilienwebsites. Ließ sich das wirklich so einfach zusammenfügen?
Während er das alles durchdachte, saß Stephen vollkommen still da, bis auf die schnellen Augenbewegungen unter seinen geschlossenen Lidern. Die offensichtliche Reglosigkeit verbarg die rasende Aktivität in seinem Kopf. Seine Gedanken jagten in einem schwindelerregenden Tempo über ein Minenfeld von falschen Fährten und durch die zahllosen Daten, die analysiert werden mussten, um die fehlenden achtunddreißig Leute aufzuspüren. Noch elf Stunden.
KONTAKT
März 2009.
Stephen wurde um ein Uhr mittags wach, genau als seine Schicht halb rum gewesen wäre. Dreißig Minuten später war er in der Kinderabteilung von GreeneSmart auf der Suche nach Molly. Nur sie wollte er jetzt sehen.
»Und?«, fragte Molly gespannt und spähte über einen Kleiderständer. »Wie war …«
»Es war unglaublich. So hab ich meine grauen Zellen schon seit Jahren nicht mehr angestrengt. Wir waren sechshundert Leute … alle unglaublich intelligent … und alle haben gearbeitet wie verrückt. Der reinste Wahnsinn. Wir haben bis um vier Uhr heute Morgen geackert.«
Stephen war selbst ganz perplex, wie schnell und aufgeregt er redete, und er wusste nicht genau, wie er aufhören sollte.
»… und was die für Daten hatten, na, du weißt ja selbst, wie schwer es ist, an Daten ranzukommen, und sie haben uns alles zur Verfügung gestellt, und wir konnten mit den Daten alles machen und …«
Inzwischen hatte Molly seinen Arm genommen und bugsierte ihn in einen Gang, wo weniger los war. Dann warf sie schließlich ihr viertes Wort in das Gespräch ein: »Und?«
Stephen verstummte mitten im Satz. »Ach so, ich hab’s geschafft. Vier aus meiner Gruppe wurden genommen, und einer davon bin ich.«
Molly hatte bereits die Arme um ihn geschlungen. »Gratuliere! Ich hab’s gewusst. Mensch, das müssen wir feiern, lass uns ausgehen. Ich lade dich ein.« Sie umarmte ihn erneut. »Aber du solltest dich vielleicht vorher umziehen – du siehst furchtbar aus.« Sie nahm Stephens Hand und ging mit ihm Richtung Ausgang, als wollte sie, dass er sofort nach Hause fuhr und sich etwas anderes anzog.
»Tut mir leid, ich hatte keine Zeit, mich frisch zu machen. Ich wollte bloß möglichst schnell herkommen und es dir erzählen.«
»Ein Glück, ich hab an nichts anderes denken können. Wann warst du denn zu Hause?«, fragte sie im Gehen.
»Heute Morgen um sechs, aber wir waren bis kurz vor fünf bei Ubatoo. Es war das reinste Chaos … Baseball mit Coladosen auf den Fluren, andere rannten zwischen den Tischen herum und spielten Laser Tag, völlig daneben. Dann wurden die PlayStations und Xboxes hervorgeholt. Die haben sie über diese riesige, haushohe Leinwand laufen lassen. Also, das war ziemlich cool.«
»Klingt ja toll.« Sarkasmus. Augenverdrehen. »Durchgedrehte Jungs im Zuckerrausch. Allerliebst, Stephen.« Mittlerweile hatte Molly ihn erfolgreich zum Haupteingang gezogen. »Na, du hast es geschafft. Das ist riesig. Erzähl mir heute Abend mehr, okay? Wann wollen wir los?«
»Das müssen wir leider verschieben«, erwiderte Stephen zögernd. »Für die neuen Praktikanten findet heute Abend eine Party statt. Da muss ich hin.«
Ein Ausdruck von Enttäuschung huschte über Mollys Gesicht, war aber schnell wieder verschwunden. »Dann sag einfach Bescheid, wann du Zeit hast, das Angebot gilt«, sagte sie, gab ihm einen raschen Kuss und ging davon. »Nochmals Glückwunsch«, rief sie ihm noch zu.
»He, Molly!«, brüllte er ihr hinterher, so laut, dass die Kinder und Mütter, die gerade an ihm vorbeikamen, erschraken. Sie blieb stehen und wartete. »Du hattest recht! Danke!« Und dann verschwand sie in einem Gang voller Büroartikel.
Am Abend saßen die vier Data-Mining-Praktikanten, die einander von der Nacht zuvor vage bekannt vorkamen, an einem feierlich gedeckten, von Kerzen
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