Silicon Jungle
Menge Frust abzubauen.
WAHRHEIT, LÜGEN UND ALGORITHMEN
13. Juli 2009.
Ob du den richtigen Kindergarten für deinen Sohn suchst oder jemanden, der die Hochzeit deiner Tochter ausrichtet oder ob du wissen willst, wie der aktuelle Preis für angereichertes Uran auf russischen Schwarzmärkten steht, bei Ubatoo findest du die Antwort. Suche egal was, finde die besten Ergebnisse, die das Netz zu bieten hat, guck dir ein bisschen Werbung an, klick vielleicht das eine oder andere an, und dann fang von vorne an, jeden Tag, immer wieder.
Über die Jahre liefen genauso wie oben beschrieben fast 87 Prozent aller Suchanfragen in den USA und gut 49 Prozent weltweit über Ubatoo. Und das Erstaunliche dabei war, dass niemand – ohne Übertreibung – niemand bei Ubatoo hätte ahnen können, welchen Umfang die Anfragen einmal annehmen würden und was für einen unstillbaren Appetit die Welt auf Informationen hatte.
Im Laufe der Jahre konnte Ubatoo die gewöhnlichen Anfragen, die jeder irgendwann in seinem Leben in eine Suchmaske eintippte – »Geld«, »Häuser«, »Sex«, »Nacktfotos«, »Politik«, »Musik« – enorm gut bedienen, so wie jede andere Suchmaschine auch. Was Ubatoo von den anderen unterschied und fest im Alltag eines jeden verankerte, war die absolute Treffsicherheit, wenn es um speziellere, persönlichere Anfragen ging. Von diesem Moment an wurden die User Teil von etwas, das in der Branche als »Long Tail« bezeichnet wurde.
Suchanfragen im Long Tail sind solche, die ausgesprochen ungewöhnlich sind. Sie sind das, was dich zu dem macht, der du bist. Sie sind das, was dich für Ubatoo einzigartig macht. Jeder sucht mal nach »Sex« und jeder sucht mal nach »Geld«. Im Gegensatz dazu sind Anfragen, die du und nur ein paar andere auf der ganzen Welt stellen, wie zum Beispiel »hatte Freddie Kruegers Handschuh vier Klingen oder fünf?«, das, was dich von allen übrigen Ubatoo-Usern unterscheidet. Das sind Dinge, die dich wirklich interessieren.
Sobald die User merkten, dass auch nur ein paar ihrer Anfragen dieser Art gut beantwortet wurden, war ein enorm wichtiger Samen gepflanzt. Auf diese Suchmaschine war Verlass, wann immer Informationen gebraucht wurden – egal, wie ausgefallen das Thema war. Ohne zu wissen, welche Frage du irgendwann stellen würdest, war Ubatoo auf scheinbar magische Weise imstande, eine Antwort darauf zu finden, im Sekundenbruchteil Zehntausende Suchmaschinen zu durchforsten, die wiederum die gewaltige Zahl von Wörtern durchkämmten, die es im Internet gab. Wenn du jemanden bei Ubatoo fragtest, wie sie das anstellten, lautete die Antwort stets: Das ist die Intelligenz unserer Algorithmen. Genauer, aber vielleicht weniger werbewirksam ausgedrückt: Es ging einzig und allein um »Ranking« – um die Kriterien, nach denen entschieden wurde, welches Ergebnis vor einem anderen erschien, wieso eine Website eher deinen Vorstellungen entsprach als irgendeine andere.
Hunderte Unternehmen und Zehntausende Menschen befassten und befassen sich noch heute mit dem Ranking, und Milliarden Dollars wurden und werden darin investiert. Ubatoos Armee von promovierten Akademikern – aus Fachgebieten wie Informatik, Mathematik, Statistik, Linguistik, Kognition und Psychologie – sorgten dafür, dass Ubatoo auf diesem Gebiet seine Spitzenposition behielt. Diese Leute wurden bei Ubatoo liebevoll »Tüftler« genannt, weil sie an den Details der Rankingverfahren herumtüftelten. Dieser stark eingeschränkte Fokus auf das Ranking machte Ubatoos Erfolg aus. Hinzu kam noch Ubatoos gewaltiger Vorsprung und Weitblick bei der Integration riesiger Rechenleistungen in seine Datenwolke, so dass Ubatoo seinen engsten Konkurrenten um mindestens Jahrzehnte vorausblieb.
Jede noch so kleine Veränderung im Ranking-Verfahren wurde an Tausenden Usern getestet. Jeder Klick, jedes getippte Wort, jede Suchanfrage wurde getrackt, um festzustellen, ob die Veränderungen den User vielleicht ein winziges bisschen zufriedener gemacht hatten. Natürlich ließ sich das niemals mit der Mehrzahl von Long-Tail-Anfragen machen; dafür waren es einfach zu viele. Stattdessen setzte Ubatoo darauf, dass Algorithmen und Rankingfunktionen, die sich im Testlauf bewährten, sich auch bei allen anderen noch so individuellen Anfragen bewähren würden. Auch wären zu viele Fehler aufgetreten, wenn man sich bei der Überprüfung neuer Rankingverfahren auf menschliche Intuition verlassen hätte. Und außerdem war so sichergestellt, dass
Weitere Kostenlose Bücher