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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shumeet Baluja
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Verluste gemacht haben, ich meine, von den fünftausend auf Ihrer Liste?«
    »Das ist kein Problem. Aber, noch mal, ich weiß nicht, ob das besonders aufschlussreich sein wird«, sagte Stephen zurückhaltend, grübelte aber bereits darüber nach, wie er Sebastins Bitte erfüllen sollte. Was Sebastin mit den Daten anstellte, interessierte ihn wenig.
    »Na, wenn es kein Problem ist, versuchen wir’s doch einfach. Es ist nur eine Vermutung, aber ich könnte mir vorstellen, dass Leute, die plötzlich in finanziellen Schwierigkeiten stecken, besonders anfällig für Verführungen sind, meinen Sie nicht auch? Wenn wir die Daten haben, überlegen wir uns, was wir damit anfangen.«
    Und dann widmete Sebastin sich wieder seinem Kuchen und trank einen kräftigen Schluck von dem inzwischen lauwarmen Tee.
    Stephen saß am Tisch, ohne ein Wort zu sagen. Er tüftelte bereits an den exakten Befehlen, mit denen die von Sebastin gewünschten Daten herausgefiltert werden konnten. Sein Kaffee war kalt und den Apfelkuchen hatte er nicht angerührt. Er war ja doch nur ein kümmerlicher Ersatz für die hausgemachten Croissants bei Ubatoo.

SCHMETTERLINGE IM KOPF
    24. Juli 2009.
     
    Je näher das offizielle Ende ihres Praktikums rückte, desto unruhiger wurden die Praktikanten. Jede Besprechung mit einem Betreuer war verbunden mit Erwartungen und Hoffnungen. Jedes Gespräch barg die Chance auf eine gute Nachricht. Doch ungeachtet der Anomalien im letzten Sommer – Aarti, William und Yuri –, war die Wahrscheinlichkeit eher gering.
    Stephen hatte diesen Sommer solide Arbeit geleistet. Er hatte Jaans System gemeistert. Er hatte auf der Suche nach Userprofilen Zahlen gecruncht und Petabytes von Daten durchforstet, was viele Werbekunden (und eine gemeinnützige Organisation) ausgesprochen glücklich gemacht hatte. Aber er hatte nur genau das getan, was man von ihm erwartet hatte. Und es lag auf der Hand, dass nur derjenige eine Chance auf ein Jobangebot hatte, der die in ihn gesetzten Erwartungen übertraf. Wie im Fall von Yuri.
    Als Aarti Kohan und Stephen bei einem dringenden Projekt um Hilfe bat, standen sie daher sofort bereit. Da sich alle drei auf das Projekt konzentrierten, war es innerhalb eines Tages erledigt, Kohan war mit seinem Teil sogar schon eine Stunde früher fertig als die anderen. Ihre Aufgabe war es gewesen, eine Light-Bier-Werbekampagne zu verbessern, die sich ausdrücklich an Leute in North Carolina, South Carolina und Georgia richtete, die weniger als 35 000 Dollar im Jahr verdienten. Der Testlauf war startklar. In vierundzwanzig Stunden, wenn die Ergebnisse tabellarisch dargestellt waren, würden sie wissen, ob ihre Analysen und Kampagnenverfeinerungen erfolgreich gewesen waren. Es gab ansonsten nichts mehr für das Projekt zu tun, und es war zu spät, um noch etwas Neues anzufangen.
    »Ich frag mal Kohan, ob er Lust hat, einen Kaffee trinken zu gehen. Kommst du mit?«, sagte Stephen zu Aarti.
    Sie zog ein Buch aus ihrem Rucksack und hielt es hoch, wobei sie diesmal etwaige nackte Haut auf einem ansonsten grellpink-lavendelfarbenen Umschlag geschickt mit der Hand zudeckte.
    »Heute Nacht nicht. Ich muss noch eine wichtige Lektüre nachholen«, sagte sie lächelnd.
    Als sie Aartis Büro verlassen wollten, schafften sie es nicht einmal über die Schwelle. Kohan bewegte sich in voller Montur – Hut, Stiefel, Schnurrbart – vor seinem Computer. Ein überdimensionierter Kopfhörer bedeckte seine Ohren. Trotz seines wackelnden Hinterteils musste er den Kopf still und leicht gebeugt halten, damit er den Kopfhörerstecker nicht aus dem Computer zog. Zwar war die Musik nur für Kohan zu hören, doch seine inbrünstig geflüsterte Interpretation von Kid Rocks Song »Cowboy« war schon mehr als genug Musik für das Publikum, zu dem, wie ihnen ein Blick durch den Raum verriet, auch Yuri zählte, der vergeblich versuchte, das Spektakel zu ignorieren.
    »Willst du wirklich nicht auf einen Kaffee mitkommen, Aarti«, fragte Stephen noch einmal.
    Aarti schüttelte den Kopf und ging, um sich irgendwo auf dem Ubatoo-Gelände ein ruhiges Plätzchen zu suchen, wo sie ein paar Stunden lesen und nach Kräften versuchen würde, Kohans Auftritt aus dem Kopf zu verbannen, ehe die Müdigkeit sie übermannte.
     
    Um kurz vor halb drei betraten Kohan und Stephen, statt nach Hause zu gehen, was sie beide hätten tun sollen, ein Nachtcafé und bestellten bei der Barista, die allein in dem fast leeren Raum arbeitete, zwei Caffè Latte. Stephen

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