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Silicon Jungle

Silicon Jungle

Titel: Silicon Jungle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shumeet Baluja
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dieselben Weichen? Dann habt ihr also alles überwacht! Siehst du, ihr seid noch schlimmer als wir.«
    » Ich nicht«, sagte Kohan. »Da müsstest du schon mit jemand anderem reden, wenn du mehr über das gesamte Ausmaß wissen willst. Und auch, wenn ich mehr wüsste, würde ich dir sowieso nichts erzählen, schließlich bist du erst recht nicht vertrauenswürdig.«
    »Touché. Du hattest also schon mal mit Data Mining zu tun, in derselben Größenordnung von Ubatoo. Hätte nicht gedacht, dass es das schon woanders gibt.«
    Kohan tippte sich an den Hut. »In dieser Größenordnung läuft das sonst nirgendwo, Stephen. Außerdem, wenn ich es hier mache, ist alles sauber und ehrlich, es ist kein Geheimnis, und wir kriegen deutlich mehr Kohle, jedenfalls würde ich das, wenn ich den Job hier an Land ziehe. Dieser verdammte Yuri.«
    »Vergiss Yuri, Kohan. Praktika hier und bei der NSA – das ist echt beeindruckend.«
    »Wenn du einmal bei der NSA reingeschnuppert hast und weißt, was da möglich ist, dann hält nur Ubatoo dem Vergleich stand. Aber hier ist es wirklich besser. Gemessen an Ubatoos Rechenleistung muss sich jedes andere Unternehmen schämen. Und außerdem gibt uns jeder einfach so seine Daten. Stell dir vor, jeder würde seine E -Mails einfach so der NSA überlassen? Unvorstellbar. Hier schenken wir den Leuten ein nagelneues Handy, bieten Ihnen obendrein freie Telefonminuten und Fünfzig-Prozent-Rabatt-Gutscheine für einen Pizzaservice, und schwups, alle rücken freudig mit ihren Informationen raus. Weißt du noch, worüber wir in unserer ersten Woche gesprochen haben?«
    »Die Diätpillen, meinst du?«
    »Ja, und dass wir die Krankenakten von allen Leuten online stellen sollten, damit sie sie einsehen können? Wir werden die im Netz haben, ehe die NSA das schafft. Wenn du mich fragst, die NSA und all die anderen Sicherheitsbehörden haben die Sache gehörig vergeigt. Anstatt die Informationen einfach abzugreifen, hätten sie den Leuten lieber verlockende Angebote machen sollen – für einen Gratisaperitif bei Applebee’s oder einmal im Monat einen Zehn-Prozent-Rabatt-Gutschein für den Supermarkt rücken die Leute ihre Daten freiwillig raus.«
    »Immerhin stellen wir nichts Schlimmes damit an. Zeigen den Leuten bloß ein bisschen Werbung«, sinnierte Stephen.
    »Stimmt. Wir nicht. Aber Yuri in Zukunft wohl, wie ich fürchte«, sagte Kohan, um sogleich eine weitere Schimpftirade über Yuri vom Stapel zu lassen.
     
     
    »Ich dachte schon, du hättest mich vergessen«, sagte Yuri, als Stephen an seinem Schreibtisch erschien.
    »Sorry, sorry, sorry, Yuri. Ich bin noch aufgehalten worden. Sollen wir uns bei einem Spaziergang unterhalten?«
    Nach ein paar Minuten erzählte Yuri ihm dieselbe Geschichte wie Kohan kurz zuvor. Und Stephen konnte sich nur mühsam die Glückwünsche abringen, die der Form halber fällig waren.
    »Ich bin nicht sicher, ob ich das Angebot annehmen will«, gestand Yuri.
    Stephen hielt die Stellenvergabe in der Touchpoints-Gruppe für ein Nullsummenspiel: Wenn Yuri ein Angebot bekam, würde jemand anders keins bekommen. Deshalb spazierten sie lange schweigend nebeneinander her, während Stephen überlegte, was er sagen sollte und Yuri ungeduldig wartete.
    Schließlich brach Yuri das Schweigen. »Du bist also auch nicht gerade glücklich darüber. Bei Kohan war es genauso. Ich weiß nicht, warum. Ihr werdet alle ein Angebot bekommen. Davon bin ich überzeugt.«
    »Vielleicht. Vielleicht nicht. Aber Yuri, mir ist schleierhaft, warum du nicht zugreifst. Eine Stelle bei Ubatoo ist doch genau das, was du dir erhofft hast, sobald du deinen Doktor in der Tasche hast, richtig? Und jetzt bieten sie dir sogar noch früher die Chance.«
    Es gab so viele Gründe, Yuri nicht zu drängen, das Angebot anzunehmen. Es würde Stephens Chancen erhöhen, selbst eins zu bekommen. Yuri würde seine Dissertation, für die er kein ganzes Jahr mehr brauchte, abschließen können – Stephen bereute es noch heute, seine Promotion damals an den Nagel gehängt zu haben, um eine Firma zu gründen. Und so brachte das Gespräch Yuri nicht den erhofften Rat ein, und Stephen fühlte sich verlorener als je zuvor.
    Auf dem Rückweg zu Gebäude 11 versuchte Yuri so gut er konnte, Stephen aufzumuntern. »Ich treffe mich heute mit Atiq. Ich lege auch ein gutes Wort für dich ein.«
    Aber das beruhigte Stephen nicht. Er hatte nicht damit gerechnet, jemals auf ein gutes Wort von Yuri angewiesen zu sein.
    »Danke, Yuri«,

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