Silo: Roman (German Edition)
etwas sagen, aber sein Chef
interessierte sich weniger für ihn als für das, was er in der Hand hatte.
»Ist das alles?«,
fragte Bernard und riss ihm den Karton aus der Hand.
»Alles?«
»Das ist alles, was
die Göre besessen hat?« Bernard riss die Laschen auf. »Diese kleine Schachtel?«
»Das ist das, was
ich bekommen habe«, stammelte Lukas. »Marsh hat gesagt …«
»Ja, der Deputy hat
mir gekabelt, dass er Krämpfe hat und nicht selbst heraufkommen kann. Wir
brauchen unbedingt eine Altersgrenze im Silovertrag. Sims!«, rief er seinem
Sicherheitschef zu. »Konferenzraum. Sofort!«
Lukas zeigte auf die
Sicherheitsschleuse und den dahinterliegenden Serverraum. »Ich mache mich dann
besser mal …«
»Du kommst mit«,
sagte Bernard und legte ihm den Arm um die Schultern. »Du bleibst bei mir.
Schau dir die Techniker an, die ganze Rattenscheiße hier, ich kann kaum noch
jemandem trauen.«
»Soll ich denn nicht
an die Server? Da war doch diese Geschichte mit der Nummer dreizehn.«
»Das hat Zeit. Es
gibt jetzt Wichtigeres.« Bernard schob ihn Richtung Konferenzraum, hinter Sims’
massiger Gestalt her. Der Sicherheitsmann öffnete die Tür und hielt sie offen.
Er runzelte die Stirn, als Lukas an ihm vorbeiging. Lukas rann der Schweiß am
Körper hinunter. Er stellte sich vor, wie er von den beiden Männern gegen den
Tisch gestoßen und festgehalten wurde, wie sie ihm die Beute aus den Taschen
rissen und vor die Nase hielten …
»Setz dich«, sagte
Bernard. Er stellte den Karton auf den Tisch, und er und Sims leerten ihn aus,
während Lukas Platz nahm.
»Urlaubsmarken«,
sagte Sims und nahm den Stapel Coupons heraus. Lukas sah, wie die Muskeln an
seinen Armen zuckten, obwohl er sich gar nicht bewegte. Sims war früher
Techniker gewesen, aber sein Körper war immer weiter gewachsen – dieser Mann
war eindeutig für andere, weniger intellektuelle Tätigkeiten geeignet. Er hob
die Wertmarken an seine Nase, roch daran und verzog das Gesicht. »Riecht nach
Öl und Schweiß.«
»Gefälscht?«, fragte
Bernard.
Sims schüttelte den
Kopf. Bernard inspizierte das Holzkästchen. Er schüttelte es, klopfte dagegen
und horchte auf das Klappern der Wertmarken im Inneren. Er suchte nach einem
Scharnier oder Haken.
Lukas wäre fast
damit herausgeplatzt, dass man den Deckel ein bisschen verschieben musste und
der Verschluss so fein gearbeitet war, dass man ihn leicht übersah. Bernard
murmelte etwas und stellte das Kästchen beiseite.
»Wonach suchen wir
denn?«, fragte Lukas, beugte sich vor und nahm sich das Kästchen. Er tat, als
betrachtete er es zum ersten Mal.
»Nach irgendwas.
Nach einem Hinweis.« Bernard starrte Lukas an. »Wieso hat sie es bis über den
Hügel geschafft? Hat sie selbst an der Ausrüstung etwas geändert? Oder einer
meiner Techniker?«
Lukas konnte sich
immer noch keinen Reim auf diese Wut machen. Dann hatte sie die Reinigung also
nicht vorgenommen – aber das war ja ohnehin gerade erst gemacht worden. War
Bernard so wütend, weil er nicht wusste, warum sie so lange überlebt
hatte? Das kam Lukas plausibel vor. Wenn er etwas rein zufällig repariert hatte
und nicht wusste, wie, dann machte ihn das fast so verrückt, wie wenn etwas
kaputtging. Er hatte Bernard schon oft genug wütend erlebt, aber das hier war
etwas anderes. Der Mann war außer sich. Er war geradezu verrückt .
Sims hatte in der
Zwischenzeit das Notizbuch gefunden. »Hey, Chef …«
Bernard riss es ihm
weg, blätterte darin und las. »Irgendwer muss sich das mal genau angucken«,
sagte er. »Da könnte was drinstecken.«
»Hey, sehen Sie
mal«, sagte Lukas. »So geht das auf.« Er zeigte ihnen den Schiebedeckel.
»Gib her.« Bernard
ließ das Notizbuch auf den Tisch fallen und entriss ihm das Kästchen. »Wieder
nur Wertmarken«, sagte er angewidert.
Er ließ die Box auf
den Tisch fallen und wollte sie schon beiseitestellen, als Sims sie ihm abnahm.
»Die ist antik. Meinen Sie, das ist ein Beweisstück, oder kann ich …«
»Ach, kannst du
behalten. Weil es ja auch gerade nichts Wichtigeres gibt, verdammte Scheiße,
oder, Spatzenhirn?«
Sims zuckte
ungerührt mit den Schultern und ließ das Kästchen in seine Tasche gleiten.
Lukas wünschte sich verzweifelt, irgendwo anders zu sein, irgendwo im Silo, nur
nicht hier.
»Vielleicht hat sie
einfach Glück gehabt«, schlug Sims vor.
Bernard leerte den
Rest des Kartons auf den Tisch. Er schüttelte ihn, damit sich auch das Textheft
löste, von dem Lukas wusste,
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