Silo: Roman (German Edition)
dass es zuunterst klemmte. Er unterbrach sich kurz
und sah Sims über den Rand seiner Brille an.
»Glück?«,
wiederholte er.
Sims nickte.
»Raus«, befahl
Bernard.
»Wie meinen Sie?«
»Ich meine: raus
hier!« Bernard zeigte zur Tür. »Sofort. Beweg deinen Arsch hier raus!«
Der Sicherheitschef
lächelte, als hätte sein Chef einen lustigen Scherz gemacht, und schlurfte zur
Tür. Er schlüpfte hinaus, dann klickte die Tür hinter ihm sanft zu.
»Alle verrückt«,
sagte Bernard, als sie allein waren.
Lukas versuchte sich
einzureden, dass er selbst nicht gemeint war.
»Anwesende
ausgenommen«, fügte Bernard hinzu, als hätte er seine Gedanken gelesen.
»Danke.«
»Immerhin bist du
dazu in der Lage, einen verdammten Server zu reparieren. Wofür zum Teufel
bezahle ich die anderen Trottel eigentlich?«
Wieder schob er sich
die Brille hoch, und Lukas versuchte sich zu erinnern, ob der IT-Chef schon immer so viel geflucht hatte. War Bernard so
gestresst, weil er der kommissarische Bürgermeister war? Irgendetwas hatte sich
verändert. Es war seltsam, aber er dachte tatsächlich darüber nach, ob Bernard
so etwas wie sein Freund war oder nicht. Eigentlich war der Mann für eine
solche Beziehung viel zu wichtig. Vielleicht erdrückte ihn ja die Last der
zusätzlichen Verantwortung, der Kummer, dass in Zukunft er derjenige sein
würde, der die Leute zur Reinigung hinausschicken musste …
»Weißt du, warum ich
nie einen Schatten angenommen habe?«, fragte Bernard. Er blätterte durch die
Bedienungsanleitung für den Kontrollraum der Generatorenhalle, drehte die
zusammengehefteten Seiten um und sah das Theaterstück auf der Rückseite. Er sah
zu Lukas auf, der die Handflächen hob und mit den Achseln zuckte.
»Weil mir vor der
Vorstellung graut, dass jemand anderes als ich hier irgendwann den Laden
führt.«
Lukas ging davon
aus, dass er die IT meinte, nicht den
Silo. Bernard war ja noch nicht lange Mayor.
Bernard legte das
Theaterstück auf den Tisch und sah zu dem großen Fenster, durch das gedämpfte
Stimmen zu hören waren.
»Aber ich werde mich
an den Gedanken gewöhnen müssen. Ich bin in dem Alter, in dem die Freunde und
die Leute, mit denen man aufgewachsen ist, sterben wie die Fliegen, und nur man
selbst tut noch so, als könnte einem das alles nichts anhaben.«
Er sah Lukas an.
»Es sind schon
früher Silos niedergebrannt worden, nur weil ein einzelner Mann zu hochmütig
gewesen ist«, erklärte Bernard. »Man vernachlässigt die Planung, man glaubt, es
könnte ewig so weitergehen, und dann verschwindet ein entscheidender Mann von
einem wichtigen Posten … und hinterlässt eine Leerstelle, und schon bricht
alles zusammen.«
Lukas hätte seinen
Chef gern gefragt, wovon zum Teufel er eigentlich sprach.
»Ich glaube, es ist
so weit.« Bernard ging um den langen Konferenztisch herum und ließ die verstreuten
Reste von Juliettes Leben hinter sich liegen. Lukas’ schlechtes Gewissen, weil
er selbst darin gekramt hatte, war verschwunden, nachdem er gesehen hatte, wie
Bernard mit ihren Dingen umging.
»Was ich brauche,
ist jemand, der sich schon jetzt mit den Servern auskennt«, sagte Bernard.
Lukas drehte sich um und stellte fest, dass der kleine, korpulente IT-Chef direkt neben ihm stand. Er fasste sich an die
Brusttasche und vergewisserte sich, dass Bernard nicht hineinsehen konnte.
»Sammi ist ein guter
Techniker. Ich vertraue ihm, aber er ist fast genauso alt wie ich.«
»So alt sind Sie
doch gar nicht«, sagte Lukas, um höflich zu sein und etwas Zeit zu gewinnen. Er
war sich nicht sicher, was in diesem Raum gerade passierte.
»Es gibt nicht viele
Leute, die ich als Freunde bezeichnen würde«, sagte Bernard.
»Geht mir auch so.«
»Du kommst dem
wahrscheinlich am nächsten.«
»Das weiß ich zu
schätzen.«
»Ich habe deinen
Vater gekannt. Er war ein guter Mann.«
Lukas schluckte und
nickte. Er blickte zu Bernard auf und sah, dass er ihm die Hand hinstreckte.
Schon seit einer Weile. Er nahm sie an, obwohl er immer noch nicht verstand,
was ihm da gerade angeboten wurde.
»Ich brauche einen
Schatten, Lukas. Und ich will, dass du das bist.«
39. KAPITEL
»Wer hastig läuft, der fällt:
drum eile nur mit Weil!«
Juliette
zwängte sich durch die Luftschleuse. Die schwere Tür quietschte in den Angeln.
Juliette griff nach dem großen Rad, hängte sich an die Speichen und verschloss
die Tür, so fest es ging. Die Dunkelheit um sie herum war überwältigend.
Die Luft in ihrem
Anzug
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