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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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waren auf einem beachtlichen
chemischen und technischen Niveau hergestellt, und erst jetzt, wo sie die bösen
Absichten dahinter erkannt hatte, konnte Juliette die Raffinesse dieser
Arbeiten würdigen. Sie hatte stapelweise Dichtungen zusammengesammelt, die
guten aus der Versorgungsabteilung und die schlechten, übrig gebliebenen aus
dem Labor, um zu sehen, wie das System funktionierte. Sie lagen ganz hinten auf
ihrer Hauptwerkbank – eine Erinnerung an die unbegreifliche Mordlust, mit der
man sie weggeschickt hatte.
    Sie stellte den
Leinensack ab und dachte, wie seltsam es doch war, Zugang zu dieser Abteilung
zu haben und ganz allein im verbotenen Herzen eines anderen Silos zu leben.
Noch seltsamer aber war es, dass sie diese Werkbänke und diese tadellosen
Werkzeuge würdigen konnte, obwohl sie nur dem einen Zweck dienten: Menschen wie
sie in den Tod zu schicken.
    Wenn sie sich diese
Wände ansah und das gute Dutzend Schutzanzüge, die in verschiedenen Stadien der
Reparaturbedürftigkeit an ihren Ständern hingen, dann kam es ihr so vor, als
würde sie in einem Raum voller Geister leben und arbeiten. Es hätte sie nicht
überrascht, wenn einer der Anzüge plötzlich heruntergesprungen wäre und sich
von selbst bewegt hätte. Juliette wandte sich ab und teilte ihre Funde in zwei
Haufen, einen mit den Sachen, die sie für ihr nächstes Projekt brauchte, den
anderen mit nützlichen Kleinigkeiten, die sie irgendwo eingesammelt hatte, ohne
zu wissen, was sie einmal damit anfangen würde.
    Ein wertvoller Akku
landete auf dem zweiten Haufen, es hing noch ein bisschen getrocknetes Blut
daran. Ein Bild tauchte vor ihrem geistigen Auge auf – der Anblick, vor dem sie
gestanden hatte, während sie das Material zusammensuchte: Zwei Männer hatten im
Chefbüro der Versorgung Selbstmord begangen, die Hand des einen war an die Hand
des anderen gefesselt, die Pulsadern an den jeweils freien Armen waren
aufgeschnitten, überall um sie herum rostbraune Flecken. Das war eines der
schlimmsten Szenarien – die Erinnerung an dieses Bild konnte Juliette nicht
abschütteln. Im Silo gab es noch mehr Spuren von Gewalt, der ganze Ort war
heimgesucht und verwüstet worden. Sie konnte voll und ganz verstehen, warum
Solo nur selten seine Runden in den Gärten drehte. Und sie konnte ebenfalls
nachvollziehen, warum er jede Nacht die Tür zum Serverraum mit einem
Aktenschrank verrammelte, obwohl er jahrelang allein gewesen war. Auch sie
schob jede Nacht die Riegel vor, bevor sie schlafen ging. Sie glaubte aus
Überzeugung nicht an Geister, aber diese Einstellung wurde hart auf die Probe
gestellt, sie hatte das Gefühl, ständig beobachtet zu werden – wenn nicht von
unsichtbaren Menschen, so vom Silo selbst.
    Sie begann, am
Kompressor zu arbeiten, und wie immer tat es gut, ihre Hände zu benutzen, etwas
zu reparieren, abgelenkt zu sein. In den ersten Nächten, nachdem sie aus ihrem
eigenen Silo verbannt worden war und sich zu dieser Ruine durchgekämpft hatte,
hatte sie lange und intensiv einen Ort gesucht, an dem sie ruhig schlafen
konnte. Die Kammer unterhalb des Serverraums schied aus, denn dort hing der
Gestank von Solos Abfallbergen. Sie hatte es in der Wohnung des IT-Chefs versucht, aber wenn sie an Bernard dachte, konnte
sie nicht einmal still sitzen. Und die Sofas in den verschiedenen Büros waren
nicht lang genug, um darauf zu schlafen. Die Matratze, die sie im Serverraum
auf den Boden gelegt hatte, war bequem gewesen, aber das Gurgeln und Surren der
Rechner um sie herum hatte sie fast wahnsinnig gemacht.
    Komischerweise war
das Overalllabor trotz der Geister und Gespenster, die dort hingen, der einzige
Raum, in dem sie richtig schlafen konnte. Wahrscheinlich lag es an den
Schweißgeräten und Schraubenschlüsseln. An den Wänden standen große Schränke
mit Schubladen, in denen es alle nur erdenklichen Werkzeuge gab. Wenn sie
überhaupt etwas retten könnte, auch sich selbst, dann in diesem Raum. Ansonsten
fühlte sie sich in Silo 17 nur in den beiden Arrestzellen wohl, wo sie manchmal
beim Aufstieg oder Abstieg Rast machte. Und hinter dem leeren Server, wenn sie
mit Lukas sprach.
    Sie dachte an ihn,
während sie den Raum durchquerte und in einer der teuren Werkzeugkisten nach
einem passenden Gewindebohrer suchte. Sie wurde fündig, steckte den Bohrer ein
und nahm einen der Overalls herunter. Sie staunte über das Gewicht und
erinnerte sich, wie sperrig der Stoff gewesen war, als sie genauso einen Anzug
getragen hatte. Sie legte den

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