Silo: Roman (German Edition)
vorbeikomme, willst du so schnell wie möglich
wieder weg. Was machst du hier überhaupt den ganzen Tag?«
Lukas fühlte sich
wie in der Falle. Er war eigentlich gar nicht so hungrig und hatte sich das
Essen für später aufheben wollen. Er zuckte mit den Achseln und setzte sich auf
den Boden, lehnte sich an den Aktenschrank und streckte die Beine aus. Als er
die Wärmehaube vom Tablett nahm, kam eine undefinierbare Suppe zum Vorschein,
zwei Tomatenschnitze und eine Scheibe Maisbrot.
»Ich arbeite
meistens an den Servern.« Er biss zuerst in das fade Brot. »Nur dass ich abends
jetzt nicht mehr nach Hause gehen muss.« Er lächelte Peter an, während er das
trockene Brot kaute.
»Du wohnst in der
unteren Mitte, oder?« Peter verschränkte die Arme und schien es sich an der
schweren Tür nun auch noch gemütlich zu machen. Lukas beugte sich zur Seite und
sah an ihm vorbei in den Flur. Stimmen kamen näher. Plötzlich hatte er den
Impuls, aufzustehen und wegzurennen, einfach nur um des Rennens willen.
»Nicht ganz. Mein
Zimmer liegt praktisch im oberen Bereich.«
Peter lachte. »Die
ganze Mitte liegt im oberen Bereich. Zumindest meinen das die Leute, die da
wohnen.«
Lukas kaute, damit
sein Mund etwas zu tun hatte. Misstrauisch beäugte er die Suppe.
»Hat Bernard dir von
der großen Offensive erzählt, die wir geplant haben? Ich überlege, ob ich
runtergehen und mitmachen soll.«
Lukas schüttelte den
Kopf. Er tunkte den Löffel in die Suppe.
»Du weißt doch, dass
die Idioten in der Mechanik diese Mauer errichtet haben und sich da unten
verschanzen. Na ja, Sims und seine Jungs wollen die Wand jetzt in Stücke
sprengen. Sie haben alle Zeit der Welt, um von unserer Seite daran zu arbeiten.
Dieser blöde kleine Aufstand wird spätestens in ein paar Tagen endgültig
niedergeschlagen sein.«
Während Lukas seine
Suppe schlürfte, musste er an die Männer und Frauen aus dem Maschinenraum
denken, die hinter der Stahlwand gefangen saßen. Er wusste genau, was sie dort
durchmachten.
»Heißt das, ich kann
hier bald raus?«
»Das muss Bernard
entscheiden. Und der ist in letzter Zeit etwas seltsam. Wahrscheinlich der
Stress. Er hat erwähnt, dass er deine Mutter zu Besuch raufbringen will. Das
heißt für mich, dass du mindestens noch eine Woche hierbleiben musst.«
»Toll!« Lukas
stocherte in seinem Essen herum. Als der hinterste Server zu klingeln begann,
fuhr er auf wie an einem Faden gezogen. Die Deckenlampen blinkten schwach, man
konnte es nur bemerken, wenn man Bescheid wusste.
»Was ist das?« Peter
ging ein wenig auf die Zehenspitzen und versuchte in den Raum hineinzusehen.
»Das bedeutet, dass
ich zurück an die Arbeit muss.« Lukas reichte ihm das Tablett. »Danke für das
Essen.« Er drehte sich um und ging.
»He, Bernard hat
gesagt, ich soll dafür sorgen, dass du aufisst.«
Lukas winkte ihm
noch einmal zum Abschied über die Schulter zu. Er wusste, dass Peter ihm nicht
folgen durfte, er wischte sich den Mund ab und ging langsam bis zur hinteren
Wand.
»Lukas!«
Aber er war schon
weg. Er lief zum letzten Server und zog im Laufen die Schlüssel aus seinem
Kragen.
Während er die
Schlösser öffnete, sah er, dass die Lampen an der Decke nicht mehr blinkten.
Peter hatte die Tür hinter sich geschlossen. Er entfernte das schwarze Paneel,
zog das Headset aus der Tasche und stöpselte es ein.
»Hallo?« Er stellte
das Mikrofon ein und vergewisserte sich, dass er es nicht zu nah am Mund hatte.
Hey! Musstest du rennen?
Lukas holte tief
Luft. Er kam allmählich außer Form, weil er in diesen beengten Verhältnissen
lebte und nicht mehr täglich zur Arbeit und wieder nach Hause ging. »Nein«, log
er. »Aber vielleicht solltest du nicht so oft anrufen, zumindest nicht
tagsüber. Du weißt ja, wer ständig hier ist. Als du es gestern so lange
klingeln gelassen hast, saßen wir direkt neben dem Server. Da war er echt
sauer.«
Meinst du, mich
stört, wenn der sich ein bisschen aufregt? Juliette lachte. Ich will ja, dass er den Anruf
entgegennimmt, ich würde gern noch ein bisschen mit ihm reden. Außerdem – wie
sollen wir es sonst machen? Ich möchte mit dir sprechen, ich muss mit jemandem
sprechen. Und du bist immer da. Mich erreichst du nicht so einfach. Weißt du,
wie oft ich in den letzten drei Wochen von den Dreißigern in die
Versorgungsabteilung und zurück geklettert bin? Rate mal.
»Ich will nicht
raten.« Lukas rieb sich die Lider.
Vielleicht ein
halbes Dutzend Mal. Und weißt du, wenn er
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