Silo: Roman (German Edition)
am Donnerstag gesagt, dass ich es dir in zwei Tagen bringe werde.
Ach Scheiße, die
zwei Tage sind rum, Carl! Du weißt ganz genau, dass morgen früh die Reinigung
stattfindet!
Und du weißt, dass
heute noch nicht morgen, sondern immer noch heute ist, ja?
Du Schlauberger!
Jetzt such mir die Akte raus, und bring sie mir hoch, und zwar sofort! Ich
schwöre dir, wenn wir Probleme kriegen, nur weil du …
Ja, ja, ich bring
sie dir. Bin schon unterwegs. Mann, entspann dich, ich will dir doch nur ein
bisschen auf die Eier gehen.
Entspannen! Du bist
vielleicht ein Idiot. Entspannen können wir uns morgen wieder. Ich lege jetzt
auf. Und setz dich endlich in Bewegung …
Shirly hatte den
Kopf in die Hände gestützt, die Ellbogen ruhten schwer auf Walkers Werkbank.
»Was in aller Welt ist hier los? Was ist das, Walk? Wer sind diese Leute?«
Walker sah durch
seine Lupenbrille. Er tunkte einen winzigen Pinsel in die weiße Farbe auf dem
feuchten Deckel der Grundierung. Er stützte sein Handgelenk mit der anderen
Hand und zog den Pinsel mit größter Sorgfalt direkt gegenüber der Markierung,
die er auf dem Knopf selbst angebracht hatte, über den Potentiometer. Zufrieden
zählte er die Striche, die er bis jetzt gemacht hatte, jeder Strich stand für
die Position eines weiteren starken Funksignals.
»Elf«, sagte er.
»Und unsere eigene Frequenz haben wir noch immer nicht gefunden.«
»Unsere? Das macht
mich ganz kirre, Walk. Woher kommen diese Stimmen?«
»Aus der Stadt
hinter den Hügeln? Woher soll ich das wissen?« Er drehte langsam am Knopf und
lauschte, ob noch mehr Stimmen zu hören waren. »Elf außer uns. Und wenn es noch
mehr sind? Da muss doch noch mehr sein … Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit,
dass wir schon alle gefunden haben?«
»Die letzte Stimme
hat von einer Reinigung gesprochen. Meinst du, das könnte sein wie … bei uns?«
Walker nickte, die
Lupenbrille verrutschte. Er schob sie zurück und drehte wieder am Knopf.
»Ich vermute, sie
leben in einem Silo. Genau wie wir.«
Er deutete auf den
kleinen grünen Schaltkreis, den Shirly ihm ans Potentiometer anzuschließen
geholfen hatte. »Das muss dieses Ding hier sein, es moduliert vielleicht die
Frequenzen.« Shirly machten die vielen Stimmen nervös, Walker hingegen war
fasziniert von der technischen Möglichkeit einer solchen Funkübertragung. Das
Gerät gab ein statisches Rauschen von sich, er erstarrte in der Bewegung,
drehte den Knopf ein Stückchen vor und wieder zurück, fand aber keine Frequenz,
also suchte er weiter.
»Du meinst diese
kleine Tafel mit der Nummer 18?«
Walker sah sie
schweigend an, seine Finger lagen regungslos auf dem kleinen Rädchen. Er
nickte.
»Also gibt es
mindestens achtzehn Silos dort draußen!« Sie hatte schneller kombiniert als er.
»Ich muss Jenkins finden, wir müssen es ihm sagen.« Shirly stand vom Hocker auf
und ging zur Tür. Walker schwindelte von der Tragweite des Ganzen, Werkbank und
Wände schienen zur Seite zu gleiten. Die Vorstellung, dass es dort draußen noch
Menschen geben könnte …
Ein gewaltiger
Donner unterbrach diesen Gedanken. Es zog ihm die Füße weg, der Boden bebte,
jahrzehntealter Staub rieselte aus dem Gewirr der Kabel und Rohre, die kreuz
und quer an der Decke verliefen.
Walker rollte auf
die Seite, er hustete und atmete den muffigen Geruch ein, der in der Luft hing.
Ihm dröhnten die Ohren von dem Knall. Er fasste sich an den Kopf, tastete nach
seiner Lupenbrille – und sah das Gestell vor sich auf dem Stahlboden liegen,
die Gläser in kleine Scherben zerbrochen.
»O nein! Ich brauche …« Er versuchte, sich mit den Händen abzustützen, und spürte einen Stich in der
Hüfte, einen scharfen Schmerz. Er konnte nicht mehr denken. Er winkte Scottie
zu und bat ihn, herüberzukommen und ihm zu helfen.
Ein schwerer Stiefel
zertrat die Überreste seiner Brille. Starke und junge Hände packten ihn am Overall
und zogen ihn auf die Beine. Überall Gebrüll, das Krachen und Rattern von
Gewehrfeuer.
»Walk! Alles okay
mit dir?«
Jenkins hielt ihn
fest. Walker war sich sicher, dass er wieder umfallen würde, sobald der Junge
ihn losließ.
»Meine Lupe …«
»Sir, wir müssen
hier raus, sie sind drinnen!«
Walker drehte sich
zur Tür und sah, dass Harper Shirly aufhalf. Ihre Augen waren weit aufgerissen,
ihre Schultern und Haare mit einer grauen Staubschicht überzogen. Sie sah
Walker an und wirkte ebenso benommen, wie er selbst sich fühlte.
»Hol deine Sachen«,
sagte
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