Silo: Roman (German Edition)
Jenkins. »Wir ziehen uns zurück.« Er sah sich im Raum um, sein Blick fiel
auf die Werkbank.
»Ich habe es
repariert«, sagte Walker und hielt sich beim Husten die Hand vor den Mund. »Es
funktioniert.«
»Ein bisschen zu
spät, würde ich sagen.«
Jenkins ließ Walkers
Overall los, Walker musste sich am Hocker festhalten, damit er nicht wieder zu
Boden ging. Die Schüsse draußen kamen näher. Stiefel polterten vorbei, mehr
Gebrüll, wieder war eine laute Explosion zu hören. Jenkins und Harper standen
in der Tür, sie brüllten Befehle und winkten den Vorbeirennenden zu. Shirly
ging zu Walker an die Werkbank. Sie starrte auf das Funkgerät.
»Das brauchen wir«,
keuchte sie.
Walker besah sich
die glitzernden Perlen auf dem Boden. Zwei Monatslöhne für diese Lupenbrille!
»Walk, was soll ich
mitnehmen? Hilf mir!«
Er drehte sich um – Shirly sammelte die Teile des Funkgeräts ein, wickelte hektisch die Kabel
zusammen. Direkt vor der Tür hörte man einen einzelnen Knall, ganz eindeutig
von einem der guten Gewehre. Walker duckte sich, ließ seine Gedanken schweifen …
»Walk!«
»Die Antenne«,
flüsterte er und deutete auf eine Stelle, an welcher der Staub noch immer von
den Stahlträgern fiel. Shirly nickte und sprang auf die Werkbank. Walker sah sich
im Raum um, einem Raum, den er nie mehr hatte verlassen wollen. Niemals. Er
hatte es sich geschworen, und diesmal wollte er den Schwur auch einhalten. Was
sollte er mitnehmen? Blödsinnige Erinnerungsstücke, Schrott, dreckige
Klamotten. Einen Stapel Schaltkreise. Er nahm seinen Ersatzteileeimer und
leerte ihn auf den Boden. Die Einzelteile des Funkgeräts warf er hinein, den
Transformator nahm er vom Strom und legte ihn dazu. Shirly riss die Antenne
herunter, drückte Kabel und Metallstangen an ihre Brust. Walker nahm seinen
Lötkolben und ein paar andere Werkzeuge. Harper schrie: »Jetzt oder nie!«
Shirly packte Walker
am Arm und zog ihn zur Tür.
Und Walker musste
einsehen, dass es niemals nicht gab.
62. KAPITEL
Silo
17
Die
Panik kam unerwartet.
Juliette hatte
gedacht, dass sie erst Angst bekommen würde, wenn sie ins Wasser ging. Aber
schon beim Anziehen des Reinigungsanzugs packte sie das Grauen. Sie mühte sich,
ihre Atmung unter Kontrolle zu bringen, während Solo die Reißverschlüsse hinten
zuzog und die Klettverschlüsse darüber aufdrückte.
»Wo ist mein
Messer?«
»Hier«, sagte Solo.
Er bückte sich und fischte das Messer aus ihrer Tasche hervor, die unter einem
Handtuch und ihrer Wechselgarderobe gelegen hatte. Er reichte es ihr mit dem
Griff voran, Juliette schob es in die Scheide, die sie am Oberteil des Overalls
angebracht hatte. Wenn sie es in Reichweite hätte, würde sich ihre Atmung
wieder beruhigen. Dieses Messer aus der Kantine oben war für sie wie ein
Talisman – sie tastete ständig danach so wie früher nach ihrer Armbanduhr.
»Mit dem Helm warten
wir noch«, sagte sie zu Solo und hob die helle Kugel vom Treppenabsatz. »Nimm
erst dieses Seil.« Sie deutete mit den dicken Fäustlingen zur Seite. In dem
robusten Material und den zwei Schichten Unterwäsche wurde ihr warm. Sie
hoffte, dass dies ein gutes Zeichen war und sie in dem tiefen Wasser nicht
frieren würde.
Solo hob die Rolle
mit dem Tau in die Höhe, an dessen Ende ein großer Schraubenschlüssel geknotet
war.
»Welche Seite?«,
fragte er.
Juliette deutete auf
die geschwungenen Stufen, die in das grün beleuchtete Wasser führten.
Er nickte. Juliette
warf den Schraubenschlüssel ins Wasser. Das Gewicht des Werkzeugs würde das Tau
senkrecht bis ans Ende der Haupttreppe ziehen. Juliette hörte den feinen
Abrieb, der auf sie herabrieselte, sie nahm den dünnen Hauch der Luftversorgung
wahr, spürte die Vibrationen, die ihre schweren Stiefel auf der Treppe
auslösten.
Sie packte das
Geländer und versuchte, an etwas anderes zu denken. An irgendetwas anderes.
Stromkabel, Luftschlauch. Konzentration. Sie holte tief Luft und prüfte die
dicke Rolle Gummischlauch und das Kabel auf dem Treppenabsatz. Juliette hatte
sie zu Achten gelegt, damit sie nicht verknoteten. Gut. Der Kompressor stand
bereit. Solo musste lediglich dafür sorgen, dass sie ausreichend mit allem
versorgt war und sich nichts verhedderte …
»Die Pumpe steht
ganz unten«, sagte er. Juliette sah zu, wie er den Versorgungsstrang ans
Treppengeländer band. Er war gut aufgelegt, war ganz bei der Sache und voller
Energie. Insofern war es ein guter Tag, um die Sache hinter sich zu bringen.
Und
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