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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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die ganze Zeit bei dir ist, dann
kannst du mir den Gefallen tun und ihn für mich umbringen. Dann bleibt mir die
Drecksarbeit wenigstens erspart.
    »Ihn umbringen?«
Lukas zuckte zusammen. »Wie? Soll ich ihn einfach totschlagen?«
    Falls du wirklich
ein paar Tipps brauchst – ich habe mir eine ganze Reihe von Methoden
ausgedacht.
    »Nein, ich will
keine Tipps. Und ich will auch niemanden umbringen. Das wollte ich nie.«
    Lukas drückte den
Zeigefinger gegen seine Schläfe und rieb in gleichmäßigen Kreisen. Diese
Kopfschmerzen, die er ständig bekam, seit …
    Vergiss es! , sagte Juliette.
    »Hör zu …« Lukas
drehte wieder an seinem Mikro. Er hasste diese Gespräche. Ihm war es lieber,
wenn sie einfach ganz harmlos ein bisschen plauderten. »Tut mir leid, hier ist
bloß … Ich werde noch verrückt hier. Ich hocke in diesem Loch und komme an alle
Informationen, ich habe ein Funkgerät, das mir ständig verkündet, dass noch
immer gekämpft wird, und trotzdem habe ich, verglichen mit allen anderen, nicht
die leiseste Ahnung, was eigentlich passiert!«
    Aber dass du mir
vertrauen kannst, weißt du? Dass ich eine von den Guten bin. Sie haben mich
weggeschickt, obwohl ich nichts verbrochen habe, Lukas. Das musst du mir
glauben.
    Er lauschte, als
Juliette tief einatmete und die Luft seufzend wieder ausließ. Er stellte sich
vor, wie sie dasaß, allein mit einem Irren in diesem Silo, das Mikro an die
Lippen gedrückt, die Brust schwer vor Verbitterung, der Kopf voller Erwartungen
an ihn.
    Lukas, du weißt
doch, dass ich auf der richtigen Seite stehe, oder? Und dass du für einen
Verrückten arbeitest.
    »Alle sind
verrückt«, sagte er. »Ich weiß nur, dass wir hier in der IT gesessen und an nichts Schlimmes gedacht haben, und
dann kam das Schlimmste, was man sich nur vorstellen kann!«
    Lukas dachte an das,
was er Juliette über den Aufstand erzählt hatte, an das, was er ausgelassen
hatte.
    Ja, du hast mir
gesagt, was meine Leute getan haben. Aber begreifst du denn nicht, warum sie
gekommen sind? Weil endlich etwas passieren musste, Luke, und das ist leider noch
immer so.
    Lukas zuckte mit den
Schultern, er vergaß, dass sie ihn nicht sehen konnte. Sooft sie auch
miteinander plauderten, er konnte sich nicht an diese Form der Kommunikation
gewöhnen.
    Du bist in einer
Position, wo du helfen kannst , sagte sie zu ihm.
    »Ich habe nicht
darum gebeten, hier zu sein!« Seine Frustration wuchs. Warum mussten ihre
Gespräche immer so anstrengend werden? Warum konnten sie sich nicht einfach
wieder über das beste Essen unterhalten, über ihre Lieblingskinderbücher, ihre
gemeinsamen Vorlieben und Abneigungen?
    Keiner hat darum
gebeten, dort zu sein, wo er ist! , sagte sie tonlos.
    Lukas wurde bewusst,
wo sie war und was sie durchgemacht hatte, um dorthin zu gelangen.
    Und selbst wenn das
Schicksal uns gegen unseren Willen irgendwo hinverpflanzt hat, dann können wir
dort noch immer aus eigener Kraft entscheiden, was wir tun , sagte sie.
    »Ich muss bald
auflegen.« Lukas atmete flach, er wollte nicht an Schicksal und Entscheidungen
denken, er hatte überhaupt ein solches Gespräch niemals führen wollen. »Peter
wird mir bald das Abendessen bringen«, log er.
    Stille. Er konnte
sie atmen hören. Es war fast so, als würde man jemandem beim Denken zuhören.
    Gut. Verstehe. Ich
muss sowieso diesen Anzug fertig machen. Ach ja, wenn alles funktioniert, bin ich
vielleicht eine Weile weg. Wenn du einen Tag lang oder länger nichts von mir
hörst …
    »Sei bitte
vorsichtig.«
    Bin ich. Und denk
daran, was ich gesagt habe, Luke. Unser Tun bestimmt, was wir sind. Du bist
keiner von denen, du gehörst nicht in die IT . Bitte vergiss das nicht.
    Lukas murmelte
zustimmend. Juliette verabschiedete sich. Er hatte ihre Stimme noch im Ohr, als
er in den Server griff und den Stecker herauszog.
    Am liebsten hätte er
sich zusammengerollt und geweint, hätte einfach nur die Augen geschlossen,
damit die Welt verschwand. Aber er wusste, wenn er die Augen zumachte und in
die Dunkelheit abtauchte, dann würde er nur sie wieder sehen – die kleine
weißhaarige Frau, deren Körper unter dem Aufprall der Kugeln zuckte. Lukas’
Kugeln. Er würde seinen Finger am Abzug spüren, seine Wangen nass und salzig,
würde den Gestank des verbrannten Pulvers riechen, würde die leeren
Messinghülsen auf den Tisch klirren hören und die Jubel- und Siegesschreie der
Männer und Frauen, in deren Lager er sich eingereiht hatte.

61. KAPITEL
    Silo
18
    …

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