Silo: Roman (German Edition)
aussieht?«
Bernard kniff die
Augen zusammen. »Ich finde, es ist hier immer ein bisschen diesig. Und ich
rieche nichts. Nur die heißen Server.« Er griff in seine Brusttasche und holte
ein paar zusammengefaltete Bögen Papier heraus. »Hier. Briefe von deiner
Mutter. Ich habe ihr gesagt, sie kann sie einem Träger mitgeben, und ich leite
sie dann an dich weiter.«
Lukas lächelte
verlegen und nahm sie ihm ab. »Ich meine trotzdem, Sie sollten mal nachfragen
wegen …« Er sah zur Klimaanlage, und dann ging ihm auf, dass es in der Mechanik
niemanden mehr gab, den man noch hätte fragen können. Das Letzte, was er über
Funk gehört hatte, war, dass Sims und seine Männer die restlichen Leute dort
unten besiegt hatten. Dutzende waren tot, drei- oder viermal so viele waren
gefangengenommen worden. In den mittleren Stockwerken wurden Wohnquartiere
hergerichtet, in denen die Gefangenen untergebracht werden sollten. Es klang,
als würde es auf Jahre hinaus nun regelmäßig Reinigungen geben.
»Ich schicke zur
Vorsicht mal einen der Ersatzmechaniker vorbei«, versprach Bernard. »Apropos,
ich würde gern ein paar Sachen mit dir besprechen. Es wird eine größere
Umverteilung von grün nach blau geben, weil wir relativ viele Farmer in die
Mechanik abkommandieren müssen. Was hältst du davon, wenn wir Sammi dort unten
zum Chef machen würden?«
Lukas nickte,
während er die Briefe seiner Mutter überflog. »Sammi als Chef der Mechanik? Er
ist vielleicht ein bisschen überqualifiziert, ansonsten aber perfekt. Ich habe
viel von ihm gelernt.« Er schaute auf, als Bernard den Aktenschrank neben der
Tür öffnete und durch die Arbeitsaufträge blätterte. »Wenn er den Posten dort
unten übernehmen würde, wäre das dann für immer?«
»Nichts ist für
immer.« Bernard fand, was er gesucht hatte, und steckte es sich in die
Brusttasche. »Brauchst du noch irgendwas?« Er schob sich die Brille auf dem
Nasenrücken zurecht. Lukas fand, dass der Chef der IT im letzten Monat rapide gealtert war und erschöpft
aussah. »Abendessen kommt in ein paar Stunden.«
Lukas hatte
tatsächlich einen Wunsch. Er wollte sagen, dass er nun bereit war, dass er den
Horror seines zukünftigen Jobs hinreichend verinnerlicht hatte, dass er gelernt
hatte, was er hatte lernen müssen, und dass er darüber nicht verrückt geworden
war. Und ob er jetzt bitte nach Hause könnte?
Aber er wusste, dass
ihn Bernard auf eine einfache Bitte hin nicht gehen lassen würde.
»Na ja«, sagte er.
»Ich hätte gern noch ein bisschen was zu lesen.«
Das Ergebnis seiner
letzten Recherche brannte ihm auf der Seele. Lukas hatte Angst, dass Bernard
ihn durchschauen würde, und trotzdem musste er unbedingt nach dieser Akte
fragen. Er war sich relativ sicher, dass er bereits alles wusste, wollte aber
doch den letzten Zweifel ausräumen.
Bernard lächelte. »Hast
du nicht genug zu lesen?«
Lukas fächelte sich
mit den Briefen seiner Mutter Luft zu. »Die hier? Die reichen mir für den Weg
bis zur Leiter.«
»Ich meinte das
Buch, das du da unten liegen hast. Die Weisung.«
Lukas seufzte. »Ja,
die lese ich ja auch. Aber das kann ich doch nicht zwölf Stunden am Tag
durchhalten. Ich meine, ich hätte gern irgendwas mit weniger Anspruch.« Er
schüttelte den Kopf. »Ach, vergessen Sie es. Wenn Sie nicht …«
»Was möchtest du
denn?«, fragte Bernard. »Ich will dich doch nur ein bisschen ärgern.« Er lehnte
sich an den Aktenschrank und verschränkte die Hände vor seinem Bauch.
»Na ja, das klingt
vielleicht ein bisschen komisch, aber da gibt es diesen Fall. Einen alten Fall. Der Server sagt, die Akte befindet sich in Ihrem Büro, irgendwo bei den
abgeschlossenen Ermittlungen.«
»Eine Ermittlung ?«
Lukas nickte. »Ja.
Es geht um den Freund eines Freundes. Ich bin nur neugierig, wie die Sache
ausgegangen ist. Und auf dem Server ist nichts abgespeichert.«
»Es geht aber nicht
um Holston, oder?«
»Um wen? Ach, der
alte Sheriff? Nein, nein. Warum?«
Bernard winkte ab
und gab Lukas ein Zeichen, dass er weitersprechen sollte.
»Die Akte läuft
unter dem Namen Wilkins«, sagte Lukas und beobachtete Bernard genau. »George
Wilkins.«
Bernards Gesicht
versteinerte.
Lukas räusperte
sich. Was er Bernard ansah, reichte ihm schon fast. »George ist vor ein paar
Jahren in der Mechanik umgek…«, fing er an.
»Ich weiß, wie er
gestorben ist.« Bernard nickte. »Warum willst du die Akte sehen?«
»Ich bin nur
neugierig. Ein Freund von mir …«
»Wie heißt
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