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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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das
Sicherheitsnetz, von dem sie sich so weit entfernt hatte.
    Nachdem sie die
Anfrage abgeschickt hatte, nahm sie sich Holstons Akte noch einmal vor. Dieser
Mann, ein guter Mann, hatte ihr innigstes Geheimnis gekannt. Als Einziger
überhaupt. Und bald würde sie nun sein Geheimnis aufdecken.

20. KAPITEL
    Weit
nach zehn Uhr schob Juliette ihren Stuhl vom Schreibtisch zurück. Ihre Augen
waren so müde, dass sie nicht länger auf den Bildschirm blicken, keine einzige
Fallnotiz mehr lesen konnte. Sie fuhr ihren Computer herunter, legte die Akten
in den Ordner, löschte das Deckenlicht und schloss die Bürotür von außen ab.
    Als sie die
Schlüssel in die Tasche steckte, knurrte ihr Magen, und der Duft von
Kanincheneintopf erinnerte sie daran, dass sie schon wieder das Abendessen
verpasst hatte. Das war nun das dritte Mal in Folge. Drei Abende hatte sie sich
so verbissen auf ihre Arbeit konzentriert – eine Arbeit, von der sie kaum
wusste, wie genau sie funktionierte, und sie hatte niemanden, der sie anleiten
konnte –, dass sie schlicht und ergreifend vergessen hatte zu essen. Und das,
obwohl ihr Büro direkt an die Kantine grenzte, aus der jeweils zu den
Mahlzeiten der Essensgeruch herüberwehte …
    Sie zog die
Schlüssel wieder aus der Tasche und durchquerte den schwach beleuchteten Raum.
Ein jugendliches Paar war gerade im Aufbruch, es hatte vor der Nachtruhe noch
einen privaten Moment im Dämmerlicht des Wandmonitors verbracht. Juliette rief
ihnen zu, sie sollten vorsichtig sein, wenn sie die Treppen hinuntergingen – sie hatte das Gefühl, als Sheriff irgendetwas sagen zu müssen. Die beiden
verschwanden kichernd im Treppenhaus. Juliette stellte sich vor, dass sie noch
weiter Händchen hielten und auf der Treppe ein paar heimliche Küsse tauschten,
bevor sie dann in ihre Wohnräume gingen. Die Erwachsenen wussten von diesen
unerlaubten Liebeleien, ließen sie aber durchgehen – ein Geschenk, das jede Generation
an die nächste weitergab. Bei Juliette war es ein wenig anders gewesen, sie war
als Erwachsene in eine ungenehmigte Liebe hineingeraten und nicht mehr in den
Genuss dieser milden Heuchelei gekommen.
    Als sie zur Küche
ging, sah sie, dass die Kantine nicht ganz leer war. Eine einsame Gestalt saß
in der Dunkelheit vor dem Monitor und starrte in die tintige Schwärze der
Wolken hinaus, die über den nachtdunklen Hügeln hingen. Es schien dieselbe
Gestalt zu sein, die Juliette auch am Abend zuvor schon bemerkt hatte, ein
junger Mann, der zusah, wie draußen allmählich das Sonnenlicht schwand. Sie
machte einen Umweg in die Küche, um hinter ihm vorbeigehen zu können. Nachdem
sie den ganzen Tag lang die Verbrechen und düsteren Gedanken studiert hatte,
von denen in den Akten die Rede war, keimte nun die Paranoia in ihr auf. Sie
hatte Menschen, die sich von anderen abhoben, immer bewundert, aber nach nur
wenigen Tagen auf dem Posten des Sheriffs war sie auf der Hut vor diesem Typ
Mensch.
    Sie ging zwischen
dem Monitor und dem nächststehenden Tisch hindurch, wobei sie die Stühle
zurückschob. Die Metallfüße knirschten auf den Fliesen. Sie hatte den sitzenden
Mann im Auge, aber er ließ sich von dem Geräusch nicht aus der Ruhe bringen,
starrte einfach weiter in die Wolken. Er hatte etwas auf dem Schoß liegen und
stützte das Kinn auf der Hand ab.
    Juliette ging direkt
hinter ihm vorbei, zwischen dem Tisch und seinem Stuhl, den er ganz nah an den
Monitor gerückt hatte. Sie unterdrückte das Bedürfnis, sich zu räuspern, ihn etwas
zu fragen, und ließ stattdessen nur im Vorbeigehen den Generalschlüssel an
ihrem Schlüsselbund klimpern.
    Zweimal blickte sie
über ihre Schulter zurück, bevor sie an der Küchentür war. Der Mann rührte sich
nicht.
    Sie schloss auf und
drückte einen der Lichtschalter. Nach einem kurzen Flackern schalteten sich die
Lampen an der Decke ein und blendeten sie mit gleißendem Licht. Sie holte einen
Krug Saft aus der Kühlkammer und nahm sich ein sauberes Glas vom
Abtropfgestell. Zurück im Kühlraum, fand sie den Kanincheneintopf, abgedeckt
und längst erkaltet. Sie schöpfte zwei Kellen in eine Schüssel und klapperte
auf der Suche nach einem Löffel in der Schublade herum. Sie stellte den großen
Topf zurück auf das frostüberzogene Regal und spielte nur kurz mit dem Gedanken,
ihr Essen aufzuwärmen.
    Mit Saft und
Schüssel in der Hand ging sie in die Kantine, sie löschte das Licht mit dem
Ellbogen und stieß die Tür mit dem Fuß zu. Am Ende eines der langen

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