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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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Tische
setzte sie sich im Dunkeln hin und aß ihr spätes Mahl, dabei hatte sie immer
ein Auge auf den seltsamen Mann, der in die Dunkelheit hinausspähte, als gebe
es tatsächlich etwas zu sehen.
    Schließlich kratzte
sie mit dem Löffel den Rest aus der Schüssel und trank ihren Saft aus – der
Mann hatte sich nicht ein einziges Mal vom Monitor weggedreht. Ungeduldig und
inzwischen wirklich neugierig, schob Juliette das Geschirr weg. Darauf
reagierte er – es sei denn, es war purer Zufall. Er beugte sich vor und
streckte die offene Hand zum Monitor aus. Juliette meinte, einen Stock oder
einen Stab in seiner Hand zu sehen, aber es war zu dunkel, um es richtig zu
erkennen. Dann beugte er sich kurz über seinen Schoß, und Juliette hörte das
Kratzen von Zeichenkohle auf Papier. Sie nahm seine Bewegung zum Anlass, um
aufzustehen und zu ihm hinüberzuschlendern.
    »Du plünderst wohl
die Speisekammer, was?«
    Beim Klang seiner
Stimme erschrak sie. »Über die ganze Arbeit … habe ich die Essenszeit
verpasst«, stammelte sie, als müsse sie sich erklären.
    »Ist bestimmt schön,
wenn man die Schlüssel hat.«
    Er wandte sich noch
immer nicht vom Monitor ab, und Juliette dachte, dass sie nicht vergessen
durfte, die Küchentür abzuschließen, bevor sie ging.
    »Was machst du hier
eigentlich?«
    Der Mann fasste
hinter sich, packte den nächsten Stuhl und schob ihn vor den Monitor. »Warum
schaust du es dir nicht selbst an?«
    Vorsichtig trat
Juliette näher, nahm den Stuhl an der Rückenlehne und schob ihn absichtlich ein
paar Zentimeter weiter von dem Mann weg. Es war zu dunkel, um sein Gesicht zu
sehen, aber seine Stimme klang jung. Sie ärgerte sich über sich selbst, weil
sie sich sein Gesicht am Abend zuvor nicht eingeprägt hatte, als es heller
gewesen war. Sie würde aufmerksamer werden müssen, wenn sie in ihrem Job etwas
taugen wollte.
    »Was genau gibt es
hier zu sehen?«, fragte sie. Sie schielte auf seinen Schoß, wo ein großes Blatt
Papier schwach im trüben Licht schimmerte, das aus dem Treppenhaus herüberfiel.
Das Blatt lag flach auf seinen Schenkeln, als würde ein Brett oder etwas Hartes
darunterliegen.
    »Ich glaube, die beiden
Wolken werden gleich aufreißen. Schau hier!«
    Er deutete auf einen
Wirbel aus schwarzen Pixeln. Die Konturen und dunklen Nuancen, die Juliette
ausmachen konnte, schienen eine optische Täuschung zu sein, die Geister der
Verstorbenen, die über den Nachthimmel flogen. Sie folgte dem Finger des jungen
Mannes – sie fragte sich, ob er verrückt oder betrunken war – und lauschte in
das quälend lange Schweigen, das darauf folgte.
    »Da!«, flüsterte er
aufgeregt.
    Juliette sah einen
Blitz, einen Lichtstrahl. Als ob jemand eine Taschenlampe durch eine dunkle
Generatorenhalle flackern ließ. Und dann war der Blitz wieder verschwunden.
    Sie stand auf und
stellte sich direkt vor den Monitor. Sie fragte sich, was da draußen vorging.
    Die Zeichenkohle des
Mannes knirschte auf dem Papier.
    »Was zum Teufel war
das?«, fragte Juliette.
    Der Mann lachte.
»Ein Stern. Wenn du wartest, kannst du ihn vielleicht noch mal sehen. Die
Wolken sind heute Nacht dünn und die Winde ziemlich stark.«
    Juliette drehte sich
zu ihrem Stuhl um und sah, dass der Mann ein Auge zugekniffen hatte, er hielt
seine Zeichenkohle auf Armeslänge und starrte auf die Stelle, wo das Licht
aufgeblitzt war.
    »Wie kannst du da
draußen überhaupt etwas erkennen?«
    »Je länger du übst,
desto besser kannst du nachts sehen.« Er beugte sich über sein Blatt und
kritzelte wieder etwas darauf. »Und ich übe schon ziemlich lange.«
    »Was genau machst
du? In die Wolken gucken?«
    Er lachte.
»Meistens, ja. Leider. Aber eigentlich versuche ich, durch die Wolken hindurch zugucken.
Hier – vielleicht haben wir noch mal Glück.«
    Sie sah ungefähr in
die Richtung des letzten Blitzes, und plötzlich war er tatsächlich wieder zu
sehen. Ein Nadelstich aus Licht, wie ein Signal, das hoch oben von einem der
Hügel kam.
    »Wie viele hast du
gesehen?«, fragte er.
    »Einen.« Der Anblick
raubte Juliette fast den Atem. Sie wusste, was Sterne waren – das hieß, sie
kannte das Wort, gesehen hatte sie allerdings noch nie einen.
    »Da war noch ein
zweiter Stern, genau daneben und etwas schwächer. Ich zeig’s dir.«
    Ein leises Klicken,
und ein rot gedämpfter Lichtschein erleuchtete den Schoß des Mannes. Juliette
sah, dass er eine Taschenlampe um den Hals hängen hatte, die mit rotem Plastik
umwickelt war. Die Lampe sah

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