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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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Material der letzten fünf Jahre,
Bürocomputer und privat. Ich war mir nicht sicher, was du brauchst, deshalb
habe ich einfach alles kopiert.
    Die Kabelbinder kannst du behalten, ich hab reichlich.
    (Ein Keks fehlt, hoffe, du bist nicht böse.)
    Juliette
lächelte. Sie schloss die Datei, löschte sie und leerte den Papierkorb. Schon
dass die Nachricht den Anfangsbuchstaben ihres Namens enthielt, schien ihr zu
gefährlich zu sein.
    Sie lehnte sich
zurück und blickte in die Kantine – alles war dunkel und leer. Es war nicht
einmal fünf Uhr früh, sie würde das oberste Geschoss noch eine Weile für sich
allein haben. Sie blätterte kurz durch das Verzeichnis, um zu sehen, mit
welcher Art von Daten sie es zu tun hatte. Jeder Ordner war sorgfältig benannt.
Anscheinend hatte sie die History von Holstons beiden Rechnern vor sich – jeder
Tastendruck, jeder Tag war über einen Zeitraum von etwas mehr als fünf Jahren
mit Datum und Uhrzeit gespeichert. Juliette fühlte sich von der schieren Menge
an Informationen überfordert – das war weit mehr, als sie in einem ganzen Leben
würde sortieren können.
    Doch dann kam es
ihr: Die Antworten, die sie suchte, verbargen sich irgendwo hier in diesen
Dateien. Und es fühlte sich irgendwie besser an, sie selbst fühlte sich besser,
jetzt, wo sie die Lösung des Rätsels – warum Holston zur Reinigung
hinausgegangen war – auf dem Stick in ihrer Hand mit sich herumtragen konnte.
    * * *
    Sie
war schon einige Stunden dabei, die Dateien zu sichten, als die
Kantinenmannschaft eintrudelte, um die Unordnung vom Vorabend zu beseitigen und
das Frühstück vorzubereiten. Am gewöhnungsbedürftigsten in den oberen Etagen
waren die Dienstpläne. Es gab keine dritte Schicht, es gab auch kaum eine
zweite Schicht – abgesehen von der Crew fürs Abendessen. Ganz unten im Silo
schliefen die Maschinen nicht, folglich schliefen auch die Arbeiter nur wenig.
Die Teams übernahmen regelmäßig Extraschichten, und Juliette war es gewohnt,
mit ein paar Stunden Schlaf in der Nacht auszukommen. Der Trick war, dass man
einfach so aus Erschöpfung einschlief, an eine Wand gelehnt, man schloss die
Augen für eine Viertelstunde und konnte so die Müdigkeit einigermaßen im Zaum
halten.
    Und was früher
überlebenswichtig gewesen war, verschaffte ihr jetzt einen klaren Vorteil. Sie
konnte auf Schlaf verzichten und gewann deshalb am Morgen und in der Nacht
zusätzliche Zeit, während der sie sich neben der regulären Arbeit mit ihren
Privatermittlungen beschäftigen konnte. Außerdem hatte sie ausreichend Ruhe, um
sich überhaupt in diesen Job hineinzuarbeiten – Marnes war leider viel zu
deprimiert, um ihr zu helfen.
    Marnes …
    Sie sah auf die Uhr
über seinem Schreibtisch. Zehn nach acht – aus der Kantine zog bereits der Duft
von warmem Hafer- und Maisgrieß herüber. Marnes war spät dran. Juliette
arbeitete noch nicht einmal eine Woche mit ihm zusammen, aber sie hatte noch
nie erlebt, dass er zu spät kam, nie. Juliette schaltete den Bildschirm aus und
stieß sich vom Schreibtisch ab. Die erste Frühstücksschicht stellte sich an,
Essensmarken klimperten in dem großen Eimer neben den alten Drehkreuzen. Sie
durchquerte den Verkehr, der aus dem Treppenhaus heraufdrängte. Ein Mädchen in
der Warteschlange zog seine Mutter am Overall und deutete auf Juliette, sie
hörte, wie die Mutter das Kind für diese Unhöflichkeit rügte.
    In den letzten Tagen
hatte es ziemlich viel Gerede wegen ihrer Ernennung gegeben, Gerüchte über eine
Frau, die als Kind im Maschinenraum verschwunden und nun plötzlich wieder
aufgetaucht war, um den Posten des beliebtesten Sheriffs in der jüngeren
Geschichte des Silos zu übernehmen. Juliette war diese Aufmerksamkeit
unangenehm. Sie eilte die Wendeltreppe hinunter, ihre Füße sprangen über die
Stufen, sie war schnell wie einer der professionellen Träger. Vier Stockwerke
weiter unten, nachdem sie sich an einem langsamen Ehepaar und einer Familie
vorbeigedrängt hatte, die auf dem Weg zum Frühstück nach oben waren, kam sie
auf dem Stockwerk direkt unterhalb der Etage an, in der sich nun ihre eigene
Wohnung befand. Sie trat durch die Doppeltür.
    Der Korridor
dahinter war erfüllt von morgendlichen Bildern und Geräuschen. Ein pfeifender
Teekessel. Die hohen Stimmen der Kinder, das Dröhnen der Schritte von oben,
Schatten, die auf dem Weg zu ihren Spendern waren. Die kleineren Kinder trotteten
widerwillig zur Schule, Ehepaare küssten sich in Wohnungseingängen,

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