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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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Gitter geschoben worden. Juliette drehte den Kopf
und spähte in die Dunkelheit, sie merkte, dass dort jemand war. Hinter dem
Gitter stand ein Mann. Als sie sich bewegte, wich er zurück, ein Ehering
klimperte – das Geräusch von Stahl auf Stahl. Schnell sprang sie auf und wankte
auf müden Beinen zum Gitter. Mit zitternden Händen packte sie die Stäbe und
blickte in die Dunkelheit, während die Gestalt mit der schwarzen Nacht
verschmolz.
    »Dad?«, rief sie und
fasste zwischen den Gitterstäben hindurch.
    Der große Mann
beschleunigte seinen Schritt und löste sich auf wie eine Halluzination oder
eine ferne Erinnerung aus der Kindheit.
    * * *
    Der
Sonnenaufgang war beeindruckend. Die Wolken rissen auf wie nur selten und
ließen leuchtende Strahlen goldenen Rauchs schräg über die Hügel fallen.
Juliette lag in ihrer Koje, die Hände unter der Wange, und sah zu, wie die
Dämmerung sich aufhellte. Sie dachte an die Männer und Frauen in der IT, die in den vergangenen drei Nächten durchgearbeitet
hatten, um einen maßgeschneiderten Overall für sie zu fertigen. Die Einzelteile
wurden von der Versorgungsabteilung geliefert. Der Overall würde gerade mal die
Reinigung durchhalten, länger aber auch nicht.
    Während der Tortur
ihres Aufstiegs, bei dem sie Handschellen hatte tragen müssen, während all der
Tage und Nächte, die sie sich stumpf in ihr Schicksal gefügt hatte, war ihr der
Gedanke an die Reinigung noch gar nicht gekommen. Jetzt, wo die Stunde nahte,
in der sie ihre Pflicht erledigen sollte, war sie sich absolut sicher, dass sie
sich weigern würde. Sie wusste, dass alle das sagten, jeder Verurteilte, und
dass alle auf der Schwelle zu ihrem Tod dann eine unerklärliche Verwandlung
vollzogen. Aber sie hatte hier oben niemanden, für den sie die Aussicht hätte
wiederherstellen können. Sie war nicht die Erste aus der Mechanik, die
hinausgeschickt wurde, aber sie war entschlossen, die Erste zu sein, die sich
verweigerte.
    Das sagte sie auch,
als Peter sie aus der Zelle führte und zu der gelben Tür brachte. Ein Techniker
aus der IT wartete auf sie und nahm letzte
Einstellungen an ihrem Anzug vor.
    Gedankenverloren
hörte sie sich seine Anweisungen an. Sie sah die Schwächen des Designs. Sie
wusste, sie selbst hätte im Schlaf einen besseren Overall herstellen können,
hätte man sie nicht rund um die Uhr beschäftigt gehalten, mit dem Wasser, dem
Öl, der Energie, die im Fluss gehalten werden mussten. Sie betrachtete die
Dichtungen – sie sahen ähnlich aus wie die, die sie in der Pumpenhalle
verwendeten, aber sie wusste, dass sie dafür gemacht waren, möglichst schnell
durchlässig zu werden. Sie wusste, dass die glänzende Schicht, die in sich
überlagernden Streifen die Außenhaut des Overalls bildete, absichtlich aus
minderwertigem Klebeband bestand. Fast hätte sie den Techniker darauf
hingewiesen, als dieser ihr den tollsten und modernsten Anzug anpries. Er
steckte ihr die Hände in die Handschuhe, half ihr mit den Stiefeln, zog die
Reißverschlüsse hoch und erklärte ihr die nummerierten Taschen.
    Juliette wiederholte
die Worte aus Walkers Brief wie ein Mantra: Keine Angst. Keine Angst. Keine
Angst .
    Die Wahrheit ist ein
Witz. Und die in der Versorgungsabteilung sind gar nicht schlecht.
    Der Techniker
überprüfte noch einmal die Handschuhe und die Klettverschlüsse, mit denen die
Reißverschlüsse gesichert waren. Ein Streifen Klebeband wurde um den einen
Stiefel, dann ein weiterer Streifen um den anderen gezogen. Juliette musste
lachen über das ganze Getue. Es war so dermaßen sinnlos. Sie hätten sie neben
den Tomaten begraben sollen, da wäre ihr Körper zumindest von Nutzen gewesen.
    Als Letztes kam der
Helm, den der Techniker nur ganz vorsichtig anfasste. Er bat sie, ihn zu
halten, während er ihr den runden metallenen Kragen um den Hals legte. Sie
besah sich ihr Spiegelbild im Visier, ihre Augen waren eingesunken, sie sah
viel älter aus, als sie sich selbst in Erinnerung hatte, gleichzeitig viel
jünger, als sie sich fühlte. Schließlich wurde ihr der Helm übergezogen, und
der Raum wirkte durch das schwarze Glas dunkler. Der Techniker erinnerte sie an
die Argondruckwelle und den darauffolgenden Flammenstrahl. Sie würde schnell
hinausgehen müssen, ansonsten erwartete sie in der Schleuse ein weitaus
schlimmerer Tod als draußen in der giftigen Luft.
    Er ließ sie allein,
damit sie über ihre Optionen nachdenken konnte. Die gelbe Tür hinter ihr
schloss sich mit einem Klacken, das

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