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Silo: Roman (German Edition)

Silo: Roman (German Edition)

Titel: Silo: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Howey
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neben einer Cousine
auf, die sie nicht kannte, in einer Wohnung, die fast genauso aussah wie ihre.
Es war Wochenende, das hörte sie, weil im Flur ältere Kinder laut spielten,
statt sich für die Schule fertig zu machen. Nach einem kalten Frühstück ging
sie mit ihren Eltern zurück auf die Treppe und hatte abermals das Gefühl, sie
würden schon ihr ganzes Leben lang reisen, nicht erst seit einem Tag.
    Schließlich kamen
sie im hundertsten Stockwerk unvorstellbar tief unten im Silo an. Die letzten
Schritte ging sie selbst, ihre Mutter und ihr Vater hielten sie jeweils an
einer Hand und erklärten ihr, was für ein bedeutender Moment dies für sie alle
sei. Sie waren jetzt an einem Ort, der »unten« hieß. Das untere Drittel. Die
Eltern hielten sie auf den schläfrigen Beinen fest, als sie die letzten Stufen vom
neunundneunzigsten zum hundertsten Stock hinunterschwankte. Ihr Vater zeigte
auf die großen Ziffern über der offenen Tür, eine Zahl, die überraschenderweise
drei Stellen hatte:
    100
    Die
beiden Kreise faszinierten Juliette. Die Nullen waren wie zwei weit geöffnete
Augen, die zum ersten Mal die Welt sahen. Sie sagte zu ihrem Vater, dass sie
bis hundert sogar schon zählen könne.
    »Ich weiß«, sagte
er. »Weil du so klug bist.«
    Sie folgte ihrer
Mutter auf den Markt. Alles war voller Menschen, es war laut, aber genau das
war schön. Es war ein fröhlicher Lärm, der die Luft erfüllte, alle wollten
gehört werden – wie in der Schule, wenn der Lehrer den Klassenraum verließ.
    Juliette hatte
Angst, verloren zu gehen, und klammerte sich an ihrem Vater fest. Sie warteten,
während ihre Mutter das Mittagessen ertauschte. Dafür musste sie anscheinend
Dutzende von Ständen besuchen, um die paar Dinge zu bekommen, die sie brauchte.
Ihr Vater überredete einen Mann, dass er Juliette durch den Zaun sein Kaninchen
streicheln ließ. Der Pelz war noch weicher als die Luft. Juliette zog ängstlich
die Hand zurück, als das Tier den Kopf drehte, aber es kaute nur auf etwas
Unsichtbarem herum und sah sie gelangweilt an.
    Der Markt war
riesig. Er zog sich hin, so weit man gucken konnte und noch weiter. An den
Seiten befanden sich schmalere Gänge mit noch mehr Ständen und Zelten, ein
Gewirr von Farben und Klängen. Juliette blieb brav bei ihren Eltern, bis sie an
die erste eckige Treppe ihres Lebens kamen.
    »Ganz ruhig«, sagte
ihre Mutter und half ihr die Stufen hinauf.
    »Ich kann das
schon«, sagte sie stur, nahm die Hand ihrer Mutter aber trotzdem.
    »Zwei und ein Kind«,
sagte ihr Vater zu jemandem am oberen Ende der Treppe. Sie hörte ein paar
Wertmarken in eine Dose fallen. Als ihr Vater durch das Tor ging, sah sie, dass
der Dosenmann knallbunt gekleidet war und einen lustigen Schlapphut trug. Sie
versuchte, noch mehr von ihm zu sehen, aber ihre Mutter schob sie durch das
Tor, eine Hand in ihrem Rücken, und flüsterte ihr zu, sie solle hinter ihrem Vater
bleiben. Der Mann wandte sich um, Glöckchen klingelten an seinem Hut, er
schnitt ihr eine Grimasse mit seitlich herausgestreckter Zunge.
    Juliette lachte,
hatte aber gleichzeitig etwas Angst. Sie suchten sich einen Platz, wo sie
sitzen und essen konnten. Ihr Vater hatte ein dünnes Bettlaken aus der Tasche
gezogen und es auf einer der breiten Bänke ausgebreitet. Juliettes Mutter
sagte, sie solle die Schuhe ausziehen und sich dann daraufstellen. Sie hielt
sich an der Schulter ihres Vaters fest und schaute über die terrassenförmig
angelegten Bänke hinunter auf einen großen freien Raum. Ihr Vater sagte, dieser
Raum sei die »Bühne«. Ganz unten im Silo hatte offenbar alles einen eigenen
Namen.
    »Was machen die
da?«, fragte sie ihren Vater. Ein paar Männer auf der Bühne, die genauso bunt
gekleidet waren wie der Dosenmann, warfen Bälle in die Luft – eine unglaubliche
Menge von Bällen – und fingen sie wieder auf, bevor sie auf den Boden fielen.
    Ihr Vater lachte.
»Sie jonglieren. Sie machen ein bisschen Spaß für uns, bis das Stück anfängt.«
    Juliette wollte gar
nicht unbedingt, dass das Stück anfing. Sie wollte nie mehr etwas anderes sehen
als das hier. Die Jongleure warfen sich Bälle und Reifen zu, und Juliette
merkte, dass sie beim Zuschauen ebenfalls die Arme kreisen ließ. Sie versuchte,
die Reifen zu zählen, aber sie blieben nie lange genug an einer Stelle.
    »Iss mal dein
Mittagessen«, sagte ihre Mutter und reichte ihr ein Brot mit Obst.
    Juliette war wie
gebannt. Als die Jongleure ihre Bälle und Reifen weglegten und

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