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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Hauptkommissarin schien nun ernsthaft nachzudenken. Die Daumen stoppten, die Hände wurden wieder entfaltet. Plotek amtete auf. Vinzi schwieg weiterhin. Ihre Gedanken kleidete die Hauptkommissarin in ihren leichten Schweizer Dialekt, der sich in Ploteks Ohren anfühlte wie Balsam. »Ich denke mal, Gründe gibt es genug. Generell. In diesen speziellen Fällen allerdings hat es vermutlich mit einem Trend zu tun, mit Nachahmungen, verstehen Sie?«
    Also doch noch eine andere Art von Idiotie, dachte Plotek, die weniger mit Kälte als mit Müdigkeit, nämlich Lebensmüdigkeit, zu tun hatte.
    Vinzi war noch immer wie weggeknipst. Woanders, in einer anderen Welt, auf einem anderen Erker. Plotek versuchte wenigstens Aufmerksamkeit vorzutäuschen und nickte halbherzig. Dabei wischte er sich mit einer Serviette über die Stirn. Vollversammlung aufgelöst.
    »Die Jugendlichen verabreden sich im Internet und scheinen wohl durch den Entschluss zu sterben einen seltsamen Kick zu bekommen. Einen Höhenflug. Verstehe das, wer will.« Sie selbst schien große Schwierigkeiten damit zu haben. Das Nicken von Plotek wurde nachträglich entlarvt.
    »Ich nenne das Swiss Kiss.«
    »Swiss Kiss?«
    »Ja, die Schweizer Kälte küsst den Lebensmüden in den Tod.«
    »Poetisch!«, kam jetzt von Vinzi mit glasigem Blick. Während Plotek dachte: Kitschiger geht es wohl nicht mehr.
    »Und warum gerade hier in diesem …?« Plotek, nun völlig eingeschüchtert, versagte die Stimme. Was aber nicht weiter schlimm war, da die Hauptkommissarin ohnehin das Heft in der Hand hatte. Selbstbewusste Frauen bewunderte Plotek, einerseits. Andererseits machten sie ihm auch Angst. Waren sie dazu noch schön und klug, verkam Plotek zu einem verschrumpelten Plasmahäufchen mit Hang zum krankhaften Transpirieren. Soll heißen: Vollversammlung zurück.
    »Sils gilt als magischer, auch mystischer Ort!« Die kluge, schöne und selbstbewusste Frischknecht sagte es, als würde das alles erklären. Auch lebensmüde Teenager mit Lust am Tod.
    »Ein Kraftort«, sagte die Hauptkommissarin. »Im Übrigen wirbt die Homepage der Gemeinde selbst damit. Fantastische Weite und zauberhaftes Licht.« Ihre Augen leuchteten, als stünden auch sie in einem zauberhaften Licht. »Kein Wunder, dass Gott und die Welt hierherkommt.«
    Die Welt ist ein Kuhdorf, dachte Plotek, und Gott ein völlig überschätzter, armseliger Pfuscher.
    »Nicht nur früher Friedrich Nietzsche, Thomas Mann, Luchino Visconti, Elsa Morante, Thomas Bernhard, Joseph Beuys. Auch heute geben sich die Berühmtheiten die Klinke in die Hand. David Bowie, Alexander Kluge, Jonathan Meese.« Die Finger der Hauptkommissarin zeigten jetzt in die Luft, als müsste ihr Nagellack trocknen.
    Die kommen doch zum Leben hierher, kam Plotek in den Sinn, und nicht zum Sterben!
    »Wo würden Sie sterben wollen, wenn Sie es sich aussuchen könnten?« Die Finger der Hauptkommissarin verkrümelten sich wieder in der Hand. Zwei Fäuste lagen auf dem Tisch wie kleine Erdhügel.
    War das jetzt eine Anspielung auf meinen angeknacksten Gesundheitszustand?, überlegte Plotek. Oder auf meine labile psychische Verfassung, mein verkümmertes Selbstwertgefühl in Gegenwart dieser Frau?
    Wie nach einem Sekundenschlaf kam nun auch Vinzi langsam wieder zu sich. Mit balsamierter Stimme sagte er: »Es gibt viele schöne Orte auf der Welt.« Was dann doch sehr allgemein war und eine Antwort auf jede mögliche Frage sein konnte.
    »Aber auch viele scheußliche.« Klang auch nicht konkreter. Unklar, ob das nur eine ironische Replik der klugen Hauptkommissarin war oder ob auch sie dem Konkreten gerne mal aus dem Weg ging wie einem Hundehaufen auf dem Trottoir.
    »Stimmt auch wieder.« Vinzi war erneut ganz auf der Höhe des Gesprächs. Seine Augen scannten die Hauptkommissarin ab, als läge sie auf dem Förderband einer Supermarktkasse.
    »Gibt es einen Ort, an dem Sie am liebsten sind?«, wollte die Hauptkommissarin mit direktem und tiefem Blick in Ploteks flackernde Pupillen wissen. Sie sagte es, als wäre er der Strichcode und sie der Scanner. Dabei verschränkte sie ein weiteres Mal die Hände wie zum Gebet. Die Daumen kreisten wieder wie verrückt um sich selbst.
    Keine Ahnung, dachte Plotek, ich fühle mich überall ein wenig unwohl. Und dann bezüglich der Daumen: bloß nicht hingucken.
    Vinzi sagte wie hypnotisiert vom Blick der Hauptkommissarin: »Orte sind doch nicht wichtig, eher Menschen, Tiere …«
    Unweigerlich musste Plotek an das

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