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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Zuberbühler beim Essen ebenfalls anwesend sein würde, schien klar. War dann auch so.
    Das Zuhause der beiden, die Chesa Escobar , konnte sich sehen lassen. Es war ein einstöckiges robustes Steinhaus, dessen Giebel mit Holzbrettern verkleidet war. Die Fenster im Erdgeschoss waren vergittert, die im ersten Stock mit Klappläden versehen. Am eindrucksvollsten war aber die Umgebung. Weit und breit nicht der Hauch von Zivilisation. Eine Insel im Meer aus Weiß.
    Das ist Idylle pur, dachte Plotek, als er vor dem Haus stand wie vor dem Eingang ins Paradies. Vinzi schien Ähnliches zu denken.
    »Ich freue mich so!« Agatha küsste Plotek und Vinzi zur Begrüßung überschwänglich auf die Wangen, sodass von nun an bei beiden ein roter Kussmund auf Höhe des Wangenknochens wie ein Kainsmal prangte. Auch Beat Zuberbühler gab sich erfreut, klopfte den beiden jovial auf die Schulter und behauptete: »Schön, euch zu sehen.«
    Machten eben auch Plotek und Vinzi ein entsprechendes Gesicht zum weniger hinreichenden Anlass. Obgleich Vinzi, kaum hatten sie sich im prächtigen Esszimmer niedergelassen, sich doch schnell für die kleine Zusammenkunft erwärmen konnte. Spätestens als das Essen aufgetragen wurde, hatte er alle Ressentiments Beat gegenüber vergessen. Der Grund: Rehkeule mit Blaukraut und Knödel. Oder besser: ein Gedicht. Ein fleischgewordener, mit Blaukraut garnierter Mehrzeiler. Der Vinzi schwärmerisch auf der Zunge zerging. Von Beat zubereitet.
    »Köstlich!« Vinzis Mund glänzte nach den ersten Bissen bereits fettig.
    Während die Versammelten die Rehkeulen in sich hinein schaufelten, sah Plotek ihnen betreten zu und trank dabei stilles Wasser. Speichel lief ihm im Mund zusammen, und sein Magen knurrte, einerseits. Andererseits war er froh, dass er nichts vom Reh zu essen brauchte. Beim Blick auf die Keulen musste er zwangsläufig an das verschwundene aus dem Kofferraum denken. An seine Träume und sein immer engeres Verhältnis zu diesem Tier.
    Und wieder »Köstlich!« von Vinzi. Woraufhin er mit der Zunge schnalzte und den Teller zum zweiten Mal, unter den zufriedenen Blicken von Beat, volllud.
    »Hat Beat selbst geschossen«, sagte Agatha stolz, während ihre roten Bäckchen ähnlich glänzten wie Vinzis fettiger Mund. Sie küsste ihren Jagdhelden auf die Wange, sodass nun auch bei ihm ein Kussmund prangte.
    »Hast du auch einen Jagdschein wie Jäggi?« Vinzi fragte es womöglich nicht aus Interesse, sondern um das Gespräch in Gang zu halten.
    Beat nickte entschlossen. »Ich bin mir allerdings nicht so sicher, ob Jäggi je einen Schein gemacht hat.«
    Plotek fiel es schwer zuzuhören. Zum einen waren es die Gerüche der Speisen, die seine durch die Fastenkur sensibilisierten Sinne ganz beduselten. Er roch nun intensiver, nahm alles viel aufmerksamer, auch selektiver wahr. Zumindest kam es ihm so vor. Zum anderen war er mit seinen Gedanken bei den Veränderungen, die sein Körper und s ein Geist durchliefen. Er bemerkte mit anhaltendem Essensentzug eine zunehmende Ausgeglichenheit. Manchmal überkam ihn sogar ein regelrechtes Hochgefühl. Wie jetzt. Ein unmerkliches Lächeln legte sich auf seine Lippen. Das habe mit dem Botenstoffsystem zu tun, hatte Dr. Wehrli behauptet, das das Gehirn nach kurzer Fastenzeit in eine Art Glücksbad tauche. Nur den schlechten Geschmack im Mund wurde er nicht los. Das wiederum sei nicht weiter beunruhigend, hatte Dr. Wehrli versichert, sondern habe mit der veränderten Leberfunktion zu tun.
    »Jäggi jagt, mit oder ohne Schein.« Beat schien von Ploteks derzeitigem Zustand nichts mitzubekommen. Agatha auch nicht. Nur Vinzi blickte gelegentlich von seiner Rehkeule auf und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Wer über dreißig Jahre die ausführende Gewalt in so einem Ort innehat, der hat Privilegien«, fuhr Beat fort und klang dabei ein wenig verbittert. Ferner neidisch. Hernach sagte er eine Zeit lang nichts.
    Vinzi schien der Einzige zu sein, der Beat wirklich zuhörte. »Zürich?«, fragte er, wie man fragt: »Wie geht die Geschichte weiter?«
    Beat schien nicht zu verstehen. Agatha ebenso wenig. Und Plotek fühlte sich plötzlich, als würde er schweben. Langsam, ein paar Zentimeter über der Sitzfläche des Stuhls.
    »Fährt er nicht einmal im Monat nach Zürich?« Weniger Frage als Feststellung von Vinzi.
    Beat lachte und kapierte nun anscheinend, worum es Vinzi ging.
    »Ja, das hast du dir aber gut gemerkt, was?«
    Agatha grinste auch. Und Plotek sowieso. Was Vinzi

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