Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
bestimmt sind.«
Ja, ja, das behaupten alle, dachte Plotek. Und wenn der Scheidungsrichter dann ein Jahr später fragt, ob sie sich wirklich für immer aus dem Weg gehen wollen, sagen sie unisono, mit aufgeklappten Messern in den Hosen und so laut, als käme nichts anderes infrage: »Ja!«
»Aber so eine Heirat muss man ja nicht gleich übers Knie brechen, oder?«
»Jetzt klingst du wie mein Vater.« Agatha lachte wie ein rotzfreches Kind. Was Plotek ärgerte. Am meisten ärgerte ihn der Vergleich. Das wollte er nun überhaupt nicht. Obgleich er das Alter dafür schon hatte.
»Keine Angst, wir wissen schon, was wir machen.«
Er vielleicht, ja, aber du? Plotek taxierte Agatha. Agatha Plotek.
»Du zweifelst an ihm, was?« Sie lachte erneut, weniger frech als hintersinnig. Wie kann man hintersinnig lachen? Agatha konnte es.
»Verständlich eigentlich. Schon klar, dass so ein Mann wie Beat vor mir etliche Frauen hatte.«
»Was für Frauen?«
Wieder taxierte Agatha Plotek für einen Moment.
»Er hat mir alles erzählt.« Noch ehe Plotek »Was erzählt?« fragen konnte, sagte Agatha es ihm schon.
»Selina zum Beispiel. Die Frau vom Dr. Wehrli. Die beiden waren mal ein Paar. Ziemlich lange sogar. Aber das ist ebenso lange vorbei.«
Na ja, die körperliche Ertüchtigung in der Futterhütte sah aber ganz anders aus, dachte Plotek und konnte seine Falten auf der Stirn nicht vertreiben.
»Ich hab ja auch schon einige gehabt.« Kein Lachen, eher ebenso nachdenkliche Falten auf der Stirn von Agatha. »Und Kyra akzeptiert er, als wäre sie seine eigene Tochter.« Das letzte Argument in der Beweiskette.
Jetzt erst bemerkte Plotek das bissige Tier, das im Kinderwagen neben dem Verkaufstresen lag und schlief. Agatha wippte mit der einen Hand den Kinderwagen und streichelte mit der anderen ihren Bauch. Wieder ein langer Blick von Agatha und dann in völlig verändertem Tonfall, mehr naives Mädchen als nachdenkliche Frau: »Was hältst du eigentlich davon, wenn du mein Trauzeuge wirst?«
Gar nichts, dachte Plotek, gar nichts halte ich davon.
»Du und Vinzi«, legte Agatha nach.
Er hob die Schultern. »Aber wir kennen uns doch fast nicht.«
»Macht doch nichts. Ich heirate ja auch einen Mann, den ich fast nicht kenne.« Sie lachte erneut, dieses Mal drang das Freche wieder durch.
»Eben.«
»Ich schlage vor, ihr beide kommt später zu uns zum Abendessen.«
»Essen ist ganz schlecht momentan.« Plotek versuchte die Einladung abzuwenden.
»Dann trinkst du eben nur was.«
»Trinken auch.«
»Dann bist du eben einfach nur da!« Agatha klang jetzt ein wenig unwirsch. Wieder langer fixierender Blick, dann: »Okay?«
»Okay.« Plotek gab sich geschlagen.
»Wir wohnen oberhalb vom Hotel Waldhaus , in der Chesa Escobar . Ihr müsst einfach der Flexerstraße folgen. Das findet ihr schon.«
Plotek drehte sich um und ging auf die Tür zu, wurde aber von Agatha gestoppt.
»Was wolltest du eigentlich?«
Er blieb stehen und dachte nach. »Was wollte ich eigentlich?«
»Eine Angel?«
»Nee.«
»Haken?«
»Einen Köder.«
Agatha griff ins Regal. »Und ich dachte schon, du kaufst dir ein T-Shirt mit Elvis drauf.«
Sie holte ein kleines Gläschen heraus. »Passt eigentlich auch nicht zu dir.« Sie sah ihn lange an, während das Tier im Kinderwagen maunzte.
»Elvis ist was für alte Säcke!« Agatha lachte, und Plotek fragte sich, ob das jetzt ein Kompliment sein sollte.
»Aber Beat ist doch auch Elvis-Fan.«
»Beat?«, fragte Agatha völlig überrascht. »Nicht wirklich. Beat steht eher auf Rockmusik. David Bowie, Doors, Siouxsie and the Banshees, X-Ray Spex und so ein Zeug. Beat macht das doch nicht wegen Elvis.«
»Weswegen dann?«, wollte Plotek wissen.
Sie rieb wieder die Finger aneinander. »Und wegen Ilona Wehrli.«
»Die Mutter von Doktor Wehrli?«
»Genau. Die ist so was wie ein Elvis-Fanatiker.«
Sie reichte ihm das Gläschen mit den Bienenmaden.
»Hier, da beißen alle an. Schenk ich dir.«
»Danke.«
»Bis heute Abend.«
»Ja.«
8
Große Lust hatten beide nicht. Plotek noch weniger als Vinzi. Essen durfte er nicht, trinken außer Wasser auch nichts, und das Rauchen war ihm ebenso verboten. Die strengen Augen von Dr. Wehrli waren immer mit dabei. Also was hätte Plotek schon von Agathas Einladung zum gemeinsamen Abendessen erwarten sollen? Vinzi wiederum war alles drei erlaubt. Dennoch konnte er sich nicht für den Besuch bei Agatha erwärmen. Oder besser: für ihren Bräutigam. Denn dass Beat
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