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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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Aber denkste. Manchmal stellen Menschen bereitwillig Körperpartien zur Schau, die alles andere als ansehnlich sind. Die sind hässlich, peinlich und unangenehm. Ein schamloser Angriff auf die Moral. Eine Beleidigung fürs Auge, für die menschliche Kreatur. Für das Leben selbst. Ganz anders bei Marlies. Unter ihrem dünnen Hemdchen schimmerte ganz Vorzügliches hervor. Was Plotek, ob er wollte oder nicht, den Mund trocken machte und die Hände feucht. Das ist wie beim Hund und seinem Herrn Pawlow. Soll heißen: klassische Konditionierung. Nur andersrum als mit Speichel und trockenen Pfoten. Leider kriegte Marlies dafür keinen Nobelpreis.
    »Ich habe auf dich gewartet.« Wie das Negligé, so die Stimme.
    »Auf mich?« Plotek war ganz benommen von so viel Liebreiz.
    »Ja.« Es klang wie: »Auf wen denn sonst?!«
    »Warum?«
    »Das kannst du dir nicht denken?« Die Stimme entfernte sich ein Stück weit vom Negligé.
    »Nö.« Ploteks Augen waren fest an den großen Warzenhöfen unter dem Hauch von Nichts verankert. Womöglich ist mein Blick dadurch getrübt, dachte er noch, und hier liegt ein Missverständnis vor. Aber denkste. Kein Missverständnis, eine Liebeserklärung.
    »Ich habe mich in dich verliebt.« Das klang jetzt, als wollte sie gleich das Nichts von der Haut streifen. Vorerst schlug sie aber nur das Plumeau, das ihr bis zum Bauch reichte, zur Seite. Unter dem feinen Negligé linste – ähnlich wie zuvor bei Agnes – ein haariges Dreieck zu Plotek hoch.
    Oh bitte, nein, nicht, dachte Plotek. Eine weitere Ohnmacht überlebe ich nicht. In so einer Situation gibt es nur drei Möglichkeiten. Erstens: tot umfallen. War Plotek natürlich nicht zu wünschen. Zweitens: Beine unter den Arm und nichts wie weg. Doch in seinem derzeitigen Zustand war körperliche Anstrengung nachweislich wenig ratsam. Die Flucht unmöglich. Also drittens: eine Lüge. Da kamen Plotek wieder seine schauspielerische Ausbildung und die jahrelange Ausübung des Berufs zu Hilfe. Bedeutet: Stadttheater Konstanz, Marburg, Erlangen und die ganze Scheiße! War die doch auch mal zu etwas zu gebrauchen. Im Leben.
    »Ich bin schwul«, sagte er, wie man sagt: »Ich hab eine ansteckende Krankheit.«
    Es kam tatsächlich so überzeugend aus Ploteks Mund, dass Marlies augenblicklich ganz blass wurde. Sie zog das Plumeau an sich wie ein Schutzschild.
    »Nein!« Die Stimme hatte nichts mehr von einem Negligé. Vielmehr Messgewand, Soutane, Dalmatik.
    »Doch.«
    Sie sprang vom Bett auf, als wäre Plotek nicht schwul, sondern ein von Interpol dringend gesuchter Mehrfachmörder. Vielleicht sogar der von den Elvissen. Marlies schien jedoch im Gegensatz zu Plotek nur zwei Möglichkeiten zu haben. Erstens: tot umfallen. Das war auch ihr nicht zu wünschen. Zweitens: die Flucht. Und tatsächlich: Schon war sie draußen. Geschmeidig wie ein Reh. Mit seinem Plumeau!
    Verdammt, dachte Plotek einerseits. Andererseits: Glück gehabt.
    Er legte sich ins Bett und schlief auch ohne Plumeau ein, während der Mond wieder frech im Fenster auf ihn heruntersah. Als wäre er, Plotek, nicht der Mann im, sondern unterm Mond.
    Dieses Mal träumte er wieder nur Positives. Natürlich erneut vom abgängigen Reh. Diesmal hatte es aber die Gesichtszüge von Agnes, die Beine von Vera Frischknecht, die Warzenhöfe von Marlies und die spitzen Brüste von Britta. Das schien im Traum ganz normal zu sein. Rehe mit Brüsten! Ein schöner Traum. Ein guter Schlaf.
    Demzufolge war er am nächsten Morgen wieder frisch, erholt und ausgeschlafen. Gut gelaunt begab er sich zum Frühstück auf die Terrasse der Klinik. Da war dann die Laune schnell wieder dahin. Marlies erwartete ihn schon. Sie sah aus, als ob sie überhaupt nicht geschlafen hätte.
    Schlechte Voraussetzung fürs Qigong, dachte Plotek noch, als Marlies, noch bevor er sich setzen konnte, »Du hast mich angelogen!« sagte.
    Das war jetzt eine Stimme, die nichts mehr, aber auch rein gar nichts mehr von einem Negligé hatte. Sie klang nicht nur nach einer schlaflosen Nacht, sondern auch nach hitzigen Diskussionen mit sämtlichen Freundinnen via Telefon.
    »Von wegen schwul! Du hast es mit dieser Journalistin getrieben!« Da war nicht nur Kränkung enthalten, auch Eifersucht. Vielleicht mehr Eifersucht als Kränkung.
    »Wie weißt du das?« Plotek konnte seine Überraschung nicht verbergen.
    »Ich weiß alles!« Die Stimmung von Marlies schien sich ein wenig aufzuhellen. Die Stimme blieb düster.
    »Dann weißt du vielleicht auch,

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