Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
auf und klopfte sich den Schnee von seiner Kleidung.
»Gab’s Meinungsverschiedenheiten?«, fragte Vinzi und steckte sich eine Zigarette an.
»Kann man so sagen.«
»Aber nicht über Ruten, Kescher und Köder, oder?«, fragte Plotek und sah neidisch auf den Rauch in Vinzis Hand.
»Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Sondern?«
»Über Elvis.«
»Wie kann man denn über Elvis zweierlei Meinung sein?«, fragte Plotek, der noch nie zur Elvis-Fangemeinde gehört hatte.
Auch Douglas McCarther steckte sich jetzt eine Zigarette an.
»Der Zuberbühler verkauft nicht lizenzierte Ware.«
»Was heißt das?«
»Sie können nicht einfach das Konterfei von Elvis Presley auf T-Shirts drucken und verscherbeln«, erklärte McCarther.
»Warum nicht?«
»Weil sie da was verscherbeln, was nicht ihnen gehört.«
»Aber wenn er die T-Shirts bedruckt und bezahlt hat, dann …«
»Es geht nicht um die T-Shirts, es geht um das Konterfei. Und die Rechte daran.« McCarther nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Die sind lizenzpflichtig. Alles, was mit Elvis zu tun hat, ist lizenzpflichtig. Aber der Herr Zuberbühler glaubt, sich nicht daran halten zu müssen.«
»Und jetzt?«
»Wird es teuer, fürchte ich mal. Viel teurer als die Lizenz selbst«, sagte Douglas McCarther und zog wieder genüsslich an seiner Zigarette.
»Das heißt?«
»Anwälte, Klage, Gerichtsverfahren.«
»Gibt es da keine andere Lösung? Ich meine auf dem unkonventionellen Weg.«
Douglas McCarther schien ganz kurz nachzudenken. Womöglich spielten bei diesen Überlegungen Schwarzgeld, Bestechung etc. eine Rolle. Er schüttelte den Kopf, mehr halbherzig als überzeugt.
»Jetzt nicht mehr.«
Stimmte so auch nicht ganz. Aber davon schien der dünne Amerikaner nichts zu wissen.
Er verabschiedete sich und eilte davon, als hätte er Dringendes zu erledigen. Noch ehe McCarther außer Sichtweite war, sah Plotek aus derselben Richtung Marlies kommen.
»Verdammt!« Er drehte den Rollstuhl mit Vinzi um und gab Gas. Er wollte jetzt auf keinen Fall der gehörnten Liebenden begegnen.
Während Plotek in einem Affenzahn den Rollstuhl durch Sils Maria schob, in der Hoffnung, Marlies möglichst schnell abzuschütteln, war Vinzi offenbar noch immer gedanklich bei Beat Zuberbühler.
»Sag mal, könnte es vielleicht sein, dass Beat nicht nur ein Seitenspringer ist, sondern auch ein Mörder?«, sagte er, während er sich mit beiden Händen an den Seitenlehnen des Rollstuhls festhielt. »Vielleicht aus Verzweiflung. Der muss ja ein Vermögen in den Contest investiert haben.«
»Na ja, ich nehme mal an, die alte Wehrli hat da mehr investiert«, sagte Plotek und wagte einen Blick nach hinten. Marlies war weit abgeschlagen und kaum mehr zu erkennen.
»Aber auch die will ihr Geld zurück«, sagte Vinzi. »Der steht doch unter enormem Druck. Da können einem doch schon mal die Sicherungen durchknallen, oder?«
So hatte das Plotek noch gar nicht gesehen. »Du meinst, der bringt einen Elvis um, warum auch immer, merkt, dass das Geschäft boomt, und legt nach?«
»Klingt vielleicht abstrus«, sagte Vinzi. »Aber wurden nicht schon aus abstruseren Motiven Morde begangen?«
»Aus viel abstruseren.«
»Eben.«
Marlies war endgültig abgeschüttelt. Als die beiden auf dem Dorfplatz ankamen, verlangsamte Plotek die Geschwindigkeit.
»Und Klemens?«, fragte Plotek.
»Was ist mit Klemens?«
»Der hat doch eigentlich beim Wettbewerb überhaupt keine Chance, außer die besten Sänger treten erst gar nicht an …«
Vinzi lachte. »Da müsste er aber viele …«
»Hmm.«
Vinzi drehte sich um und sah Plotek an. »Sag mal, das glaubst du doch nicht im Ernst, oder?«
»Ich mein ja nur.«
»Für Klemens würde ich meine Hand ins Feuer legen.«
»Und für dich? Meinst du, dass ich auch für dich die Hand …«, sagte Plotek.
Vinzi lachte wieder. »Dass ich der Mörder bin, ist gänzlich ausgeschlossen.« Er klopfte mit der Hand gegen seinen Rollstuhl. »Ist nicht meine bevorzugte Tötungsart.«
»Welche wäre es denn?«
»Kopfschuss!«, sagte Vinzi. »Müsste ich nicht mal aufstehen.«
Plötzlich stand Marlies breitbeinig vor den beiden. »Was soll das?«, fragte sie, wie man fragt: »Warum läufst du weg?!«
Wo kommt denn die jetzt her?, dachte Plotek und: Die war doch eben noch hinter uns.
»Was soll was?«, fragte Vinzi.
»Halten Sie sich da raus!« Marlies wischte Vinzis Frage weg wie eine lästige Fliege. Sie fixierte Plotek, als stünde sie erneut kurz vor einem
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