Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
ist er offenbar flexibel.« Bei Agnes schien die beträchtliche Alkoholmenge nur wenige Spuren hinterlassen zu haben. »Bloß gut, dass er nach all diesen Schnäpsen nicht mehr so gewandt ist.«
Was bedeutete: nicht so gewandt wie sie. »Es war ein Leichtes, aus den Fängen dieses lüsternen Hagestolzes zu entkommen.«
»Vorerst zumindest.« Plotek kannte sich mit krankhaftem Begehren aus. Marlies war das beste Beispiel.
»Wie meinst du das?«
»Na ja, wenn er als Frauenfänger so hartnäckig ist wie als Jäger, dann ist noch einiges von ihm zu erwarten.« Plotek schmunzelte.
»Der Mann hat Blut geleckt«, stieß auch Vinzi ins gleiche Horn.
»Und was ist … Klosteinlutscher, Arschritze … mit den Morden?«, wollte Klemens wissen.
»Schwierig, aber ich denke, dem ist alles zuzutrauen.«
»Sie meinen … Sacklaterne, Bumsarsch … der Jäggi könnte hinter den Toten stecken?«
»Ist nicht auszuschließen.«
»Aber warum sollte er?« Plotek war sich da nicht so sicher.
»Er liebt Sils Maria über alles«, sagte Agnes, als ob das ein Grund wäre. »Das Sils Maria, das er kennt, natürlich. Und er hasst alles, was ihm das zerstört.«
»Die Touristen«, kam von Vinzi.
»Nicht nur. Auch Beat Zuberbühler. Der mit seinen Events Sils Maria aufzumischen gedenkt.«
Vinzi schüttelte den Kopf. »Aber dann hätte er doch gleich Beat umbringen können.«
»Im Prinzip schon, ja. Aber der Jäggi ist nicht dumm. Der weiß auch, dass dann höchstwahrscheinlich ein anderer kommt und etwas Ähnliches wie Beat versucht.«
Sie sah die drei Zuhörer an, als wäre sie erneut in die Rolle der Lehrerin geschlüpft und erwartete nun von ihren aufmerksamen Schülern Schlussfolgerungen.
Plotek kombinierte am schnellsten: »Also versucht er die Gegend so gefährlich erscheinen zu lassen, dass sich niemand mehr traut herzukommen, oder wie?«
»Vielleicht«, belobigte Agnes, um dann gleich noch einen neuen Gedanken einzuwerfen: »Vielleicht ist es aber auch schon krankhaft.«
Die anderen hoben die Schultern, als wären sie davon nicht wirklich überzeugt.
Legte Agnes einfach nach: »Wer sich einmal im Monat heimlich von schwulen Strichern in zweifelhaften Milieus die Rosette massieren lässt und dazu sein Leben mit toten Tieren verbringt, bei dem ist da oben nicht alles intakt, oder?« Sie tippte sich an die Stirn und blickte erwartungsvoll in die Runde.
»Tote … Kacknase, Schlunze … Tiere?« Klemens gelang keine Antwort, nur eine Frage.
Auch Plotek zog mit einer nach. »Steht da auch ein Reh?«, wollte er wissen.
»Klar.«
»Was?« Plotek war betroffen.
»Sogar mehrere. Rehe, Füchse, Hasen, alles.«
»Und wie sieht das Reh aus?«, fragte er mit beinahe versagender Stimme.
»Wie Rehe eben aussehen. Vier Beine, zwei Augen …«
»Scheiße.«
»Was ist?« Agnes merkte nun anscheinend, dass das tote Reh Plotek ordentlich zusetzte.
»Nichts.«
Vinzi hingegen schüttelte den Kopf, als wollte er Ploteks Gedanken nicht teilen. »Vergiss es!«
»Und was haben Sie herausgefunden?«, fragte Agnes Klemens, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
Klemens schien sich jetzt besonders zu konzentrieren. Er fixierte das Bierglas vor sich. Wobei ein Auge es fixierte und das andere immer wieder ausbüxte. Dann sagte er, als hätte er es auswendig gelernt, ohne ein einziges Schimpfwort: »Die Imitatoren sind untereinander sehr zerstritten. Konkurrenzkampf, Verdächtigungen, Intrigen und so. Jeder will der Beste sein und wittert im anderen einen Feind. Bei mir ist es nicht anders. Der Wettbewerb ist zu wichtig, als dass man auf lustiges Hobby machen könnte. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass bei diesem Druck dem einen oder anderen Elvis die Sicherungen durchknallen. Ein Teilnehmer aus Luxemburg ist besonders aggressiv, schottet sich ab. Ich weiß aber nicht, ob er was mit den Morden zu tun hat.«
Agnes klopfte Klemens anerkennend wie die zufriedene Lehrerin dem artigen Schüler auf die Schulter. »Sehr schön, wirklich. Und dennoch macht es das Ganze nicht einfacher. Im Gegenteil: Der Kreis der Verdächtigen weitet sich dadurch sogar noch aus.«
»Stimmt. Eigentlich könnte es fast jeder gewesen sein«, sagte Vinzi und sah aus, als wäre die kleine Ermittlungsgruppe schon am Ende.
Ploteks Gesichtsausdruck passte sich dem von Vinzi an. Agnes war die Einzige, die den Kopf nicht hängen ließ. Sie stand auf, ging zum Tresen, griff in die Schale mit den Glückskeksen und kam zum Tisch zurück. Sie brach drei Kekse auf
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