Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
in St. Moritz geblieben. Da hätte er mehr Zeit für sich und seine Familie gehabt.‹
    Jäggi sah aus, als wüsste er mehr, als er sagte.
    ›Da läuft es auch nicht rund, ich meine in der Familie?‹, stellte ich einfach mal so gewagt in den Raum.
    ›Der Wehrli ist schon in Ordnung. Aber der Rest der Bagage …‹
    ›Selina?‹
    Der Dorfpolizist bekam einen bitteren Zug um den Mund. ›Ein Teufel im Engelskostüm. Früher hat die schon gelogen, ohne rot zu werden, das kleine Biest! Die kenn ich, da war sie noch so klein.‹ Er hielt die Hand auf Hüfthöhe. ›Die hat alle und jeden um den Finger gewickelt. Und im Supermarkt gestohlen, was nicht angekettet war.‹
    ›Warum heiratet so eine attraktive Frau so einen … nun ja, vielleicht doppelt so alten Mann?, frage ich mich.‹
    Jäggi schien sich das nicht zu fragen. Er rieb die Finger aneinander. ›Damit ist sie abgesichert. Und was sie sonst noch braucht, darüber hinaus …‹, wieder rieb er die Finger aneinander, ›… holt sie sich woanders.‹
    ›Verficktes Kuchlkäschtli‹, sagte ich und dann: ›Und ihr Kind?‹
    ›Schauen Sie sich den Bastard doch mal genau an‹, kam von Jäggi. ›Sieht der aus wie der Matteo Wehrli?‹«
    (Plotek und Vinzi kam jetzt der Sohn von Wehrli in den Sinn, beide schüttelten den Kopf.)
    »›Der sieht ganz anders aus. Die Augen, die Haare, die Nase …‹
    ›Wie sieht er denn aus?‹
    ›Das müssen Sie schon selber herausfinden‹, sagte Jäggi mit zunehmend glasigem Blick.
    ›Verficktes Kuchlkäschtli‹, sagte ich erneut, und Jäggi lachte nun so laut, dass sein Hörgerät pfiff. ›Und der Matteo Wehrli?‹, setzte ich nach.
    ›Ich glaube, der ist gerade dabei, es herauszufinden.‹
    Zum vierten Mal holte ich zwei Apfelkornfläschchen. Wobei die Kellnerin den Anschein machte, dass sie mir dieses Mal die Fläschchen nur ungern aushändigen wollte.
    Bevor ich das Fläschchen an die Lippen legte, sagte ich: ›Vielleicht ist es auch einfach einer, dem dieser ganze Elvis-Hype gegen den Strich geht.‹
    ›Sie meinen ein Elvis-Hasser?‹, fragte Jäggi. ›Deshalb bringt man aber doch niemanden um, oder?‹
    Er kippte den Apfelkorn runter und schien nun richtig aufzutauen.
    ›Ich würde mich gerne noch länger mit Ihnen unterhalten‹, sagte er, legte seine Hand auf meinen Unterarm und streichelte ihn, als handelte es sich dabei um meine Intimzone. ›Aber ich muss. Ich habe zu Hause ein Reh liegen.‹
    ›Ein Reh?‹, fragte ich.«
    (»Ein Reh?«, kam auch von Plotek und Vinzi.)
    »›Ja, ein totes‹, sagte Jäggi. ›Eines, das ausgestopft werden will.‹
    Das war die Chance. Ich klimperte wie verrückt mit den Augenlidern, und meine Mundwinkel waren fast bis zu den Ohren gezogen. Meine Stimme wie kurz vor einer sprachlichen Ejakulation.
    ›Ach, das ist aber eine Überraschung. Sie sind auch noch Präparator? Das wird ja immer interessanter mit Ihnen. Sie müssen wissen, das ist auch eine meiner Leidenschaften. Allerdings nicht aktiv, eher passiv.‹
    Jäggi schaute mich an, als hätte ich ihm ein unmoralisches Angebot unterbreitet.
    ›Ich liebe tote Tiere!‹, legte ich nach.
    ›Also wenn Sie wollen, gnädige Frau, können Sie mich gerne begleiten.‹
    Das Zuhause von Linard Jäggi versetzte mich in völliges Erstaunen. Das war keine Wohnung, das war ein Zoo mit toten Tieren. Ein Totenreich. Der erste Stock war komplett mit ausgestopften Tieren vollgestellt. Jäggi führte mich wie ein größenwahnsinniger Wissenschaftler gebieterisch und stolz durch sein Reich, als wären das alles von ihm ergatterte Trophäen aus irgendwelchen Kriegen. Dann holte er eine Flasche Schnaps aus dem Wohnzimmerbuffet und goss uns jeweils ein Glas ein.
    Als Jäggi immer anzüglicher wurde und mit schlüpfrigen Bemerkungen um sich warf, erkannte ich, dass es Zeit war, den Rückzug anzutreten. Was gar nicht so einfach war, das könnt ihr mir glauben.
    ›Ich bitte Sie, gnädige Frau, für Sie ist bei mir immer ein Platz frei, sogar ganz nahe am Herzen.‹
    Als Jäggi dann auch immer näher an selbiges heranrückte und mich am Oberarm anfasste, trat ich schließlich Hals über Kopf mit einem lapidaren ›Ich muss!‹ die Flucht an.«
    »Der alte Trottel hat tatsächlich gedacht, der kann mich flachlegen«, empörte sich Agnes vor Plotek, Vinzi und Klemens.
    »Ich dachte, der ist schwul?«, sagte Plotek, wie man sagt: »Ich dachte, die Welt ist eine Scheibe?«
    »Dachte ich auch. Aber nach vier Apfelkorn und zwei Zwetschgenwasser

Weitere Kostenlose Bücher