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Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Sils Maria: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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und las vom ersten Papierfitzelchen: »Auch der Adler fliegt nicht höher als die Sonne.«
    Sie lachte. »Bedeutet: Ein Mörder ist nicht schlauer als sein Mord.«
    Während die drei Männer um Verständnis rangen, las Agnes vom zweiten Zettelchen: »Es ist besser, ein Licht zu entzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.«
    Wieder lachte Agnes und sagte: »Stimmt!« Dann rief sie Frau Pan am Tresen zu: »Noch vier Schnäpse!«, woraufhin Plotek vehement den Kopf schüttelte.
    »Sei nicht so dogmatisch!«
    Die Schnäpse kamen, und Agnes las den Spruch vom dritten Glückskeks vor: »Auch ein Affe fällt mal vom Baum.«
    Alle lachten. Nur Plotek nicht. Mit zitternden Händen hielt er das Schnapsglas in der Hand.
    »Prost!«
    Der Schnaps fraß sich seine Kehle entlang, bis er im Magen mit einer ungeheuren Detonation ankam. Es fühlte sich an, als explodierten seine Innereien.
    Dann wurde es um Plotek herum schlagartig dunkel. Schwarz umhüllte ihn, und er fiel wie der Affe vom Baum auf den Boden.

11
    »Sie können sich wieder anziehen«, sagte Selina, während Dr. Wehrli und Britta in der Krankenakte blätterten.
    Das war Plotek sehr recht. Nackt fühlte er sich nicht nur nicht angezogen. Nackt fühlte er sich unsicher, unwohl, auch ein wenig beschämt. Er stieg von der Personenwaage herunter und zog hastig Hose und Hemd an.
    »Und? Wie fühlen Sie sich?«, fragte Selina, wie man sagt: »Na, jetzt sagen Sie doch auch mal was!«
    Plotek schlüpfte gerade umständlich in seine Mokassins u nd verlor dabei beinahe das Gleichgewicht. Er musste sic h an Dr. Wehrli festhalten.
    »Geht.«
    »Noch eine weitere Woche, und Sie sind fast wiederhergestellt«, befand Dr. Wehrli, während sich Selinas Gesichtsausdruck verdüsterte.
    Plotek stand etwas hilflos im Behandlungszimmer herum und kam sich ein wenig wie der arme Woyzeck vor, Georg Büchner, Sozialdrama: der Soldat, der sich, um seinen Sold aufzubessern, in die Hände eines skrupellosen Doktors begibt und von diesem gezwungen wird, zu Forschungszwecken ausschließlich Erbsen zu essen.
    »Ich habe auch erfahren, dass Sie beim Qigong enorme Fortschritte gemacht haben«, versuchte sich der Doktor noch immer in Motivationstraining. »Stimmt’s, Britta?«
    Dr. Wehrli sah zu Britta. Britta strahlte, als hätte er ihr gerade das Glück versprochen. Selina hingegen sah aus, als wäre das Glück Pech.
    »Ganz große sogar. Ich kann sagen, dass Herr Plotek nicht mehr wiederzuerkennen ist im Vergleich zu den ersten Tagen hier. Wenn er so weitermacht, ist da noch einiges zu erwarten …«
    »Was?« Selina preschte in Brittas Redeschwall, der sich anhörte wie der Lagebericht eines übermotivierten Pfadfinders seinem vergötterten Führer gegenüber. Was zur Folge hatte, dass Britta völlig aus dem Konzept geriet.
    »Wie was?« Das Strahlen war dahin.
    »Was ist zu erwarten?« Selina fixierte sie mit einem Blick, als wäre Britta ein Insekt, mit einer Nadel auf einem Styroporbrett aufgespießt.
    »Dass, dass der, der Herr Plotek, dass der …«
    »Was?« Ein weiterer Stich.
    »Dass es ihm besser geht als …«
    »Das ist auch unsere Aufgabe.« Das Insekt zappelte kaum noch. »Falls Sie das noch nicht begriffen haben sollten!«
    Und ob Britta das begriffen hatte. Wild und verzweifelt fuchtelte sie mit ihren Flügeln hin und her, in der Hoffnung, den scharfen Blicken zu entkommen.
    »Ja, natürlich, aber da müssen die Patienten auch mitmachen, sonst …« Aber keine Chance.
    »Nicht immer auf die Patienten schieben!«
    Selina war zu stark, zu dominant, als dass sich die zarte Britta alleine hätte befreien können. Das konnte Plotek, mittlerweile an den Rand der Dreiergruppe gedrängt, sofort erkennen.
    »Ich bitte euch. Das ist doch nicht der richtige Zeitpunkt, um …« Dr. Wehrli versuchte zu vermitteln.
    »Warum nicht?!« Selina, der Engel, der aussah, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun, war in Angriffsstimmung.
    »Ich glaube nicht, dass wir hier eine Auseinandersetzung vom Zaun brechen müssen …« Dr. Wehrli war offenbar um Schadensbegrenzung bemüht.
    »Ah, verstehe. Keine Auseinandersetzung. Nicht hier, was?« Die Frau des Doktors klang bissig.
    »Selina, bitte.«
    »Danke, Matteo.« Noch bissiger.
    »Was soll das?«, fragte Britta, durch Dr. Wehrlis Unterstützung wohl wieder zu Bewusstsein gekommen.
    » Was soll das? «, äffte Selina die Qigong-Expertin nach. »Sagen Sie mal, sind Sie so naiv oder tun Sie nur so?«
    Wieder eilte der Doktor seiner Therapeutin zu

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