Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
Brüste z eigten unter dem Stoff wie Feuerwerkskörper kurz vor de r Entzündung auf die Terrasse.
Hätte in diesem Moment nicht die alte Wehrli die Terrasse betreten, wäre Britta Plotek sicher um den Hals gefallen. So stahl sie sich im Rücken der Alten davon.
Schade eigentlich, dachte Plotek, während Ilona Wehrli sich, im Arm den kleinen Leandro, auf einen der Stühle mit Blick auf den nicht weit entfernt liegenden Silsersee setzte.
Wie der kleine Bub da auf dem Schoß der alten Frau sitzt, dachte Plotek, erinnert er mit seinen schwarzen Haaren und den ebenso schwarzen Augen an alle und jeden, nur nicht an Matteo Wehrli, seinen Vater. Da war ein bisschen Justin Bieber drin und auch ein wenig von Elvis. Alles allerdings ganz blass, als hätte der Junge ein schwerwiegendes anämisches Problem.
Ist Anämie vererbbar?, dachte Plotek.
»Ist er nicht hübsch?«, fragte Ilona Wehrli, als sie Plotek wahrgenommen hatte.
»Hmm.«
»Ich weiß, ein bisschen blass ist der Junge vielleicht, ja, aber sonst …«
»Ganz der Vater«, sagte Plotek, wie man sagt: »Nicht Fisch, nicht Fleisch.« Oder: »Ein Gentest würde Gewissheit verschaffen.«
Ilona Wehrli verzog das Gesicht, sagte dann aber doch nichts, sondern lächelte, als wüsste sie es besser. Der Junge lächelte auch, als wäre es ihm völlig egal. Alles, Fisch, Fleisch, Gentest und auch, wer sein Vater ist.
Plotek und die Wehrli betrachteten jetzt den Jungen wie ein Gemälde, bei dem nicht klar war, ob es sich um eine Fälschung handelte oder doch um das sauteure Original.
So lange, bis Plotek plötzlich das Thema wechselte und sagte: »Der Vorverkauf läuft ja wie geschmiert.«
Auch Ilona Wehrli schwenkte, sichtlich erfreut, auf das neue Gesprächsthema ein.
»Ja. Es sieht ganz danach aus, als hätten wir auf das richtige Pferd gesetzt. Der kommerzielle Erfolg scheint fast sicher.«
»Außer McCarther macht Ihnen noch einen Strich durch die Rechnung.« Plotek warf böswillig eine Handvoll Sand ins Getriebe.
Ilona Wehrli schien tatsächlich mächtig zu knirschen.
»Wie meinen Sie das?«
Plotek ließ sie ein paar Sekunden zappeln, warf dabei einen weiteren Blick auf den Jungen, der jetzt gähnte, und genoss die zunehmende Unruhe der alten Wehrli.
»Der ist doch nicht zum Vergnügen hier, oder?« Ganz nebenbei von Plotek.
»Weiß nicht«, kam von Ilona Wehrli.
»Ich glaube, der Ami will ein Stück vom Kuchen abhaben.«
»Was Sie nicht sagen?!«
»Ja, sogar ein ziemlich großes Stück.«
»Wenn er sich nur nicht dabei verschluckt.«
Der Junge hustete, als hätte er sich verschluckt. Ilona Wehrli klopfte ihm auf den Rücken. Der Junge wurde ganz rot im Gesicht. Zum ersten Mal sah er richtig gesund aus. In diesem Moment betrat Selina die Terrasse. Sie wirkte wie nach einem brutalen Kampf – den sie gewonnen hatte.
»Was hat er denn?« Sie ging auf ihre Schwiegermutter zu und zeigte auf Leandro.
»Nichts.«
Selina nahm ihren Sohn in den Arm. Dann bemerkte sie erst Plotek und sah ihn an, als wäre er an ihrer unterirdischen Laune schuld. Dem Jungen wich das Rot wieder aus dem Gesicht. Das Kränkliche war zurück.
»Ach so, was ich vergessen habe zu sagen, Herr Plotek!« Sie kam einen Schritt auf Plotek zu. »Dass Sie das Qigong ausfallen lassen – meinetwegen. Der Erfolg ist ohnehin umstritten. Dass Sie aber nicht mehr zum Shiatsu kommen, kann ich nicht akzeptieren, ist das klar?«
Selina kam noch einen weiteren Schritt auf Plotek zu.
»Entweder Sie meinen es ernst oder Sie lassen es ganz bleiben.«
Jetzt muss ich also als Blitzableiter herhalten, dachte Plotek, als Puffer für den Ärger der Frau Wehrli. Er versuchte ihrem strengen Blick standzuhalten.
»Wissen Sie, das ist hier kein Erlebnispark für gestresste Großstädter, klar?!«
Frau Wehrli machte auf ernsthafte Therapeutin, die nichts mit der Frau in der Futterhütte gemein hatte, während die dort beschworenen Worte »Ja, komm, tiefer, jetzt, schnell, ja, ja, ja, härter, schnell, kommmm, kommmmmm …« jetzt in Ploteks Kopf herumspukten.
»Komm«, rutschte ihm, ganz in Gedanken versunken, aus dem Mund.
»Was?«
»Nichts.«
»O doch, ich denke, Sie sollten das möglichst schnell verinnerlichen, sonst …«
»Was?«
»Ach nichts.«
Selina wandte sich von Plotek ab und setzte ihren Sohn der alten Wehrli auf den Schoß. Dann drehte sie sich erneut zu Plotek um.
»Und, Herr Plotek, es wäre besser, wenn Sie sich wieder mit Marlies vertragen würden.«
»Und Sie sich mit Ihrem
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