Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
herum.
»Mensch, lass das!«, sagte Plotek, während Vinzi ganz neidisch auf ihn zu werden schien.
»Du Glücklicher«, sagte er. »Agnes in diesen schmeichelhaften Stofffetzen zu sehen muss doch eine unbeschreibliche Freude bereiten, oder?!«
»Hör auf damit.«
»Also, mir würde das …«
»Leg ihn wieder hin!« Plotek griff nach dem BH und warf ihn zurück in den Schrank.
»Warum? Sie sieht es doch nicht.«
Vinzi lachte. Plotek nicht.
»Da liegt ihr Handy.« Plotek zeigte zum Mobiltelefon, das wie ein Fremdkörper auf dem zerwühlten weißen Bett lag. »Es blinkt.« Tatsächlich: Das Mobiltelefon leuchtete blau. »Komisch.«
Beide standen nun vor dem blinkenden Gerät und sahen es an, als würde es gleich mit ihnen sprechen. Tat es natürlich nicht.
»Kennst du dich damit aus?«, fragte Plotek.
Es war eines dieser neumodischen Geräte, wie auch Dr. Hohenthaler eines hatte. Plotek kannte sich nicht aus. Weder mit diesen hochtechnologischen noch mit den veralteten, wie Vinzi eines besaß. Mit gar keinen. Plotek selbst hatte kein Mobiltelefon. Brauchte er auch nicht. Gut, die meisten anderen brauchten eigentlich auch keines. Auf das, was damit geredet wurde, könnte man in den meisten Fällen gut und gerne verzichten. Aber wer verzichtet schon gerne? Die Handybesitzer nicht. Plotek sehr wohl. Vinzi wiederum hatte zwar eines, das stammte aber noch aus Zeiten, in denen Mobiltelefone noch in den Kinderschuhen steckten. Meistens verwendete Vinzi es gar nicht. Dennoch schien er sich mit den neumodischen Geräten bestens auszukennen. Das mochte daran liegen, dass Vinzi allem Neuen gegenüber prinzipiell aufgeschlossen ist. Also Internet, Facebook, Twitter und alles. Er griff nach Agnes’ Handy und scrollte durch die Programme wie mit einer Fernbedienung durchs abendliche Fernsehen. Bis er schließlich überrascht »Da schau her!« sagte. Schaute Plotek auch. Was er sah, erstaunte ihn nicht nur. Am liebsten hätte er es im Nachhinein gar nicht sehen wollen. Auf dem Display erschienen Fotos. Von Agnes. Von der nackten beziehungsweise leicht bekleideten Agnes. Das sah gut aus. Aber auch verwirrend. Für Plotek. Irgendwie ertappte er sich dabei, wie er errötete. Wieder pfiff Vinzi durch die Zähne.
»Deine Agnes scheint ja ein ganz begehrtes Exemplar zu sein.«
»Das ist nicht meine Agnes. Erstens.« Ploteks Daumen schoss aus der Faust. »Und zweitens: Mach das weg!« Er zeigte mit einer Fingerpistole auf die Bilder.
»Stimmt«, kam von Vinzi noch immer mit einem süffisanten Lächeln um den Mund. »Weil derjenige, der die aufgenommen hat, warst wohl kaum du, oder?«
»Schau lieber nach, ob es irgendwelche Nachrichten gibt.«
Machte Vinzi dann auch. Und wurde fündig.
»Kommen Sie zur Tiefgarage. Sofort. Es ist dringend. Jäggi!« , las Vinzi die letzte SMS vor. Beide sahen sich an, als wäre es die Botschaft eines weiteren Glückskekses. Eine Botschaft, die alles andere als Glück versprach.
»Die SMS hat sie vor vierzig Minuten empfangen«, sagte Vinzi.
»Dann ist sie jetzt längst da«, kam von Plotek.
»Klar, nur was soll sie dort? In der Tiefgarage?«
»Da steht ihr Auto.«
»Was will der Jäggi von ihr? Und warum kommt er nicht hierher, wenn er was will?«
»Keine Ahnung«, sagte Plotek.
»Vögeln«, kam von Vinzi, als wäre das die einzige Erklärung. »Vielleicht ist der alte Trottel einfach nur scharf auf deine Agnes.«
»Es ist nicht meine …«
»Könnte man es ihm verdenken?«
Beide schwiegen eine Weile, dann sagte Plotek: »Und was, wenn er was ganz anderes im Schilde führt?«
»Was denn?« Vinzi konnte sich das nicht vorstellen.
»Vielleicht steckt Jäggi hinter den Morden. Und er hat herausgefunden, dass Agnes ihm auf der Spur ist …«
»Dann ist es jetzt aber höchste Eisenbahn, dass wir ihn davon abhalten. Was auch immer er vorhat.«
»Aber wie?«, kam zögerlich von Plotek.
»Weiß nicht, aber sicher nicht dadurch, dass wir hier blöd rumstehen!« Vinzi sprang in seinen Rollstuhl. Da war er einfach anders als Plotek. Vinzi gehörte eindeutig zu den Handelnden. Zu denen, die loslegen, wenn andere noch nachdenken. Zu den Aktiven.
»Also komm!«
Die örtliche Tiefgarage befand sich mitten in Sils Maria. Das Verkehrskonzept sah vor, dass die Touristen ihre Autos dort unterbrachten, damit das Dorf weitestgehend von fremden Karossen befreit blieb. Was auch ganz gut gelang.
Plotek und Vinzi fuhren am Tennisplatz mit dem Aufzug unter die Erde. Nachdem sie in der ersten Etage
Weitere Kostenlose Bücher