Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
der Spur.
»Aber …«
»Sag jetzt bloß nicht aber wie !«, ging Vinzi dazwischen, während Agnes gleichzeitig die Frage beantwortete.
»Sie rufen ihn an, behaupten, dass Sie ihn beobachtet hätten, und sagen, dass er um zwei Uhr in der Nacht zur Baustelle kommen soll. Auf der Freifläche zwischen den Rohbauten würden Sie auf ihn warten. Da gäbe es dann neue Anweisungen.«
»Was für … Spacker, Gulaschfresse … für Anweisungen denn?«
Vinzi verdrehte die Augen, und Agnes legte ihre Hand auf Klemens’ Schulter.
»Und dann … Bumsbacke, Spackenhirn … dann, dann soll ich ihn überwältigen, oder was?«
»Du nicht«, schnauzte Vinzi Klemens an. »Wir!«
»Wir?« Plotek erschrak.
»Ja, wir müssen ihn auf frischer Tat erwischen, klar?«
»Du meinst, wenn Dr. Wehrli Klemens die Spieluhr um den Hals legt, dann …« Plotek stockte.
Klemens tippte sich an die Stirn.
»Genau!« Wieder schlug Vinzi auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. »Batsch!«
»Was?! Buschkuh … das ist doch … Arschritze …«
Vinzi lachte. »Er wird nicht zuziehen können, da Klemens hinwegschwebt.« Er deutete mit einer Handbewegung an, wie er sich das vorstellte. Jetzt tippte sich Plotek an die Stirn.
»Wirst es schon sehen.«
Sah er auch. Allerdings viel später.
»Jetzt brauche ich auch ein Aspirin«, sagte Plotek.
Und Frau Pan brachte drei Gläser Wasser.
14
Der Himmel war voller Sterne. Der Schneefall hatte aufgehört. Es war saukalt.
Klemens rief, nachdem er einen Joint geraucht und dadurch eine gewisse Lockerheit in sein Hirn appliziert hatte, um zweiundzwanzig Uhr Matteo Wehrli an und las das, was Vinzi für ihn auf einen Zettel geschrieben hatte, vor. Matteo Wehrli sagte kein einziges Wort am anderen Ende, sondern hörte nur zu. Dann legte Klemens auf. Anschließend sprühte Plotek Klemens am ganzen Körper mit Givenchy Gentleman ein. Wobei der, unter Zuhilfenahme sämtlicher ihm zur Verfügung stehender Schimpfwörter, protestierte.
»Mann, stell dich nicht so an!«, sagte Vinzi. »Das muss sein!«
»Aber … Knusperhucke, Kacksemmel, Fickhobel … doch nicht so viel!«
Um ein Uhr morgens brachen Klemens, Vinzi, Agnes und Plotek zur Baustelle gegenüber dem Hotel Edelrose auf. Ganz Sils Maria schlief bereits tief und fest. Auch die Zeltarbeiten waren bis zum Morgen eingestellt. Auf der Baustelle sprang Vinzi aus seinem Rollstuhl und stellte ihn zwischen Betonmixer und Dixi-Klo ab.
»Setz dich.« Er zeigte auf seinen Rollstuhl.
Klemens setzte sich, eher widerwillig, in Vinzis Rollstuhl und steckte sich zur Belohnung einen weiteren Joint an. Den zweiten in dieser Nacht. Das war auch notwendig. Dieses Mal weniger wegen dem Tourette-Syndrom. Sondern um die nötige Gelassenheit zu erlangen. Kaum saß Klemens, machte sich Vinzi geschäftig an die Arbeit. Er umwickelte den Elvis-Imitator und den Rollstuhl mit einem fingerdicken Seil. Soll heißen: Er band Klemens mit den Beinen und dem Oberkörper am Rollstuhl fest und verschnürte ihn wie ein Paket.
»Sag mal, was machst du da eigentlich?«, wollte Plotek wissen, dem Vinzis zielstrebiges Vorgehen seltsam vorkam.
Agnes hingegen sagte: »Lass mal!«, als hätte sie den absoluten Durchblick.
»Das wirst du gleich sehen.«
Klemens sagte nichts. Durch das THC wurde er gelassen und gleichgültig, sodass er endgültig aufgab und geduldig alles mit sich machen ließ.
Nachdem Vinzi Klemens am Rollstuhl festgebunden hatte, befestigte er eine Kette aus Stahl mit einem Karabinerhaken am Eisengestänge des Rollstuhls. Die Kette war am Kran befestigt, der hoch über die Baustelle hinweg in die Nacht ragte. Langsam bekam auch Plotek eine Ahnung von dem, was Vinzi eigentlich vorhatte. Agnes lächelte.
»Wenn der Arsch die Spieluhr um Klemens’ Hals legt, sitz ich da oben«, Vinzi zeigte hoch zum Führerhaus des Krans, »und betätige den Hebel, sodass der Rollstuhl mitsamt Klemens wie von Geisterhand nach oben schwebt.«
Alle sahen jetzt hoch zum Kran. Auch Klemens, wäh rend er einen tiefen Zug von seiner Tüte nahm. Jetzt lächel te er sogar. »Na, wenn das mal … Sackkrauler … gut geht«, sagte er belustigt und fast ohne Schimpfwörter.
»Und dann?« Ploteks Blick war aus der Höhe wieder zurück. Das Unverständnis auch.
»Dann nehmt ihr den Wehrli fest.«
»Wir?«, kam wieder erschrocken von Plotek.
»Ja, klar, ihr. Du und Agnes. Ich kann ja schlecht von da oben …« Wieder zeigte er zum Kran hoch. Agnes nickte, als wäre das das Normalste von der
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