Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
erinnerte. Oder irgendwen. An wen oder was, wollte ihm aber nicht einfallen.
»Nichts Neues in Sachen Elvisse«, sagte die Frau, als gehörte das zum guten Ton. Die Morde standen nicht nur bei der Kriminalpolizei auf der Agenda. Sie wurden auch an der Kasse im Supermarkt, in der Bibliothek, in den Museen und natürlich auch in den Gaststätten zum einzigen Thema.
»Aber am Peugeot wurde herumgeflickt.«
Die Frau schaute ihn erwartungsvoll an, als hätte sie ihm gerade das Intimste von sich selbst offenbart, doch Plotek war schwer von Begriff.
»Der Ami«, legte die junge Frau also nach. »Das Auto vom Ami, verstehen Sie?«
»Hmm.«
»Die Bremsen.«
»Hmm.«
»Manipuliert.« Sie sprach jetzt wie mit einem Deppen, der nicht zwei und zwei zusammenzählen konnte.
Wie damals bei meinem Mercedes, dachte Plotek und erinnerte sich daran, wie auch bei diesem die Bremsen manipuliert worden waren und er dadurch, kurz vor der Beerdigung seines Vaters, in einem Maisfeld gelandet war. Er hatte damals Glück gehabt. Der Ami jetzt Pech.
»Die Hauptkommissarin ist einem Zusammenbruch nahe.« Die junge Frau lachte, als könnte sie die fesche Frischknecht auch nicht leiden.
»Noch ein Wasser?«
»Ja.«
Die Frau stellte das Glas vor ihm ab und sah ihn dabei an, als fragte sie sich, warum jemand wie Plotek nur Wasser trinkt. Das hätte er ihr schon sagen können. Er sagte es aber nicht, sondern zeigte zu den kleinen Boxen an der Decke. »Was ist …«
»Verficktes Kuchlkäschtli«, sagte die Frau ganz selbstverständlich, wie man sagt: »Bitte ohne klingeln eintreten.«
Was für Plotek gar nicht selbstverständlich klang. Da klingelte gar nichts.
»Hä?«
»So hieß die Rockgruppe von Beat!«
»Zuberbühler?«
»Exakt! Gibt’s aber nicht mehr.«
»Wie so vieles.«
»Exakt!«
Augenblicklich war Plotek klar, dass auch diese junge Frau etwas mit ihm gehabt haben musste. »Waren Sie auch auf der Hochzeit?«
Sie schüttelte vehement den Kopf. »Die Verflossenen waren nicht eingeladen.«
»Aber Selina Wehrli …«
»Ich hab die Verflossenen gesagt.« Sie lachte wieder, als wäre sie auch ein bisschen froh darüber.
»Wären Sie gerne?«
»Nö, ganz bestimmt nicht.« Jetzt bekam sie einen bitteren Zug um den Mund. »Der Beat hat sich kolossal verändert, seit er mit der alten Schnepfe …« Sie unterbrach sich und sagte stattdessen: »Ist ja auch egal.«
»Ilona Wehrli«, sagte Plotek, wie man sagt: »Ich weiß Bescheid.«
»Von der ist er doch abhängig wie ein Hund vom Wurstzipfel.«
»Wenn er schmeckt, der Wurstzipfel …«
»Das kann ich mir nicht vorstellen. Nein, beileibe nicht!«
Der Zug um den Mund war jetzt noch bitterer. Da schwang viel Enttäuschung mit, befand Plotek. Und Ärger. Es gab wohl niemanden, den dieser Beat Zuberbühler gleichgültig ließ.
Spricht für ihn, dachte Plotek, schob einen Geldschein über den Tresen und ging.
»Jetzt warten wir schon seit einer halben Stunde.« Vinzi schaute erneut auf die Uhr über der Tür. »Wo bleibt die denn bloß?«
Plotek hob die Schultern. Agnes war in der Regel immer pünktlich. Eher andauernd zu früh dran als zu spät. Jetzt nicht. Jetzt war es schon halb neun. Um acht wollten sie sich eigentlich im Wang Tong 23 treffen. »Um aktiv zu werden«, wie Agnes sagte und dabei motivierend in die Hände klatschte.
Vinzi wurde mit voranschreitender Zeit immer nervöser. »Irgendwas stimmt hier nicht«, sagte er und rieb dabei seine Beinstümpfe, als kribbelten sie mal wieder.
Was nun auch Plotek nachdenklich stimmte. »Was soll denn …«
Vinzi ließ ihn nicht aussprechen, griff entschlossen mit beiden Händen an die Schwungräder seines Rollstuhls und sagte: »Na los, lass uns nachschauen.«
»Wo?«
»Na, in ihrem Zimmer, wo denn sonst?«
Nur widerwillig ließ sich Plotek dazu überreden und folgte Vinzi.
Erstaunlicherweise war Agnes’ Zimmertür im Hotel Zentral nicht abgeschlossen. Nach dreimaligem Klopfen drückte Vinzi den Türgriff nach unten und schob die Tür auf. Schnell wurde klar, dass Agnes nicht da war. Es wurde auch klar, dass sie überstürzt das Zimmer verlassen hatte. Warum sie verschwunden war, war allerdings ganz und gar nicht klar. Vinzi stöberte – mittlerweile nicht mehr nervös, sondern in aller Seelenruhe – in der frischen Unterwäsche im Schrank herum. Er zog immer wieder ein Teil heraus, pfiff durch die Zähne, lachte und schlenkerte schließlich mit einem Büstenhalter, einem Hauch von fast Nichts, in der Luft
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