Sils Maria: Kriminalroman (German Edition)
die oben am Kran über eine Laufrolle geführt wurde, in die falsche Richtung. Da Vinzi offenbar den Hebel in die falsche Richtung bewegt hatte. Wie es schien, waren seine Kranführerqualitäten doch nicht von der besten Sorte.
»Scheiße!«, hörte Plotek aus dem Handy, während Matteo den Bändel der Spieluhr um Klemens’ Hals immer enger zog. Klemens würgte schon und drohte zu ersticken.
»You … ahhhh … Kackeee … have … urgggg … made my life … Bumssssss …«
Schob Vinzi den Hebel eben in die andere Richtung, sodass sich die Kette spannte und den Rollstuhl mitsamt dem darauf sitzenden Klemens nach oben zog. Matteo Wehrli erschrak. Die Spieluhr fiel von Klemens ab und vor Wehrli auf die Erde und spielte auf dem Boden die Melodie. Wehrli schien völlig perplex. Er sah einen Moment lang konsterniert dem davonschwebenden Klemens hinterher. Dann griff er blitzschnell in seine Manteltasche, holte eine Pistole heraus und zielte auf Klemens. Doch noch ehe er abdrücken konnte, brüllte Vinzi aus Ploteks Telefon: »Licht an! Mach das Licht an!«
Tat Plotek dann auch. Er steckte den Stecker in die Kabeltrommel, während der erste Schuss in der Nacht verhallte. Die Kugel verfehlte ihr Ziel. Schlagartig war die Baustelle hell. Matteo Wehrli geblendet. Er drehte sich im Kreis, als wäre er umzingelt. Immer wieder hielt er die Hand vor das Gesicht.
Plötzlich startete der Bagger. Wehrli zuckte zusammen und starrte auf die langsam auf ihn zufahrende Maschine wie auf ein Ungetüm, das ihn niederwalzen wollte. Bei Wehrli angekommen, kippte Agnes die Baggerschaufel. D er Sand stürzte aus ihr heraus und begrub Matteo Wehrli unter sich. Agnes legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit dem Bagger zurück. Und zwar direkt auf das Dixi-Klo zu.
»Verflucht, was macht die!«, kam noch von Plotek. Er zweifelte in diesem Moment auch an Agnes’ Baggerfahrkünsten. Gerade noch rechtzeitig stürzte er ins Freie, bevor Agnes mit dem Bagger das Dixi-Klo plattmachte. Dann endlich kam der Bagger zum Stehen. Agnes sprang aus der Führerkabine und kam aufgeregt auf Plotek zugerannt.
»Na los, wir müssen ihn ausbuddeln, bevor er erstickt.«
Auch Vinzi kam in Windeseile vom Kran heruntergeklettert. Alle drei stürzten sich nun auf den Sandhaufen und suchten im Sand nach Matteo Wehrli. Es gelang ihnen ziemlich schnell, den bewusstlosen Wehrli größtenteils freizulegen. Nachdem Agnes ihm ein paar Ohrfeigen verpasst hatte, schlug er die Augen auf und schien völlig verändert. Nichts mehr von der manisch nervösen Mörderattitüde war übrig. Lammfromm saß er auf dem Boden und wimmerte im Scheinwerferlicht vor sich hin. Der brutale Mörder verkam zu einem kleinen, wehleidigen Kind.
»Ich … ich … ich konnte nicht anders, ich … ich … ich konnte einfach nicht anders.«
»Man kann immer anders«, widersprach Agnes und gab jetzt die dominante Mutter.
»Sie haben doch keine … keine Ahnung haben Sie.« Matteo saß da, in sich zusammengesunken und voller Sand, und schniefte. Dabei sprach er ganz leise, immer wieder nach Worten suchend, vor sich hin. »Diese ganzen … ganzen Elvisse, diese … diese … diese furchtbaren Elvisse … plötzlich … plötzlich war alles wieder zurück.«
»Was?« Agnes gerierte sich als Widerpart im Verhör. Und Wehrli schien sie seltsamerweise als solche auch zu akzeptieren.
»Der Geruch, dieser Geruch war es. Der Geruch. Es war derselbe wie damals, als … als … als …« Matteo stockte. »Nein! Bitte, nein!«
»Wann?« Agnes ließ nicht locker, während Plotek und Vinzi daneben standen und aufmerksam dem Zwiegespräch lauschten.
»Ich … ich … ich war ganz klein, ein … ein … ein Kind, vielleicht fünf, ja fünf war ich, da hatte meine Mutter … meine Mutter hatte damals einen Freund, einen ganz widerlichen Freund, der … der … der wie Elvis aussah. Genau wie dieser … dieser Elvis. Er roch nach dem Duft … diesem Duft, nach diesem Eau de Toilette.«
» Givenchy Gentleman .«
Wehrli sah Agnes verwundert an, als fragte er sich, woher sie das wusste. »Widerlich, ganz, ganz, ganz widerlich.«
»Und weiter?«
»Immer wenn dieser … dieser widerliche Elvis mit dies em widerlichen, ganz widerlichen Geruch bei meiner Mu tter in der Nacht … wenn der da war, dann … dann kam er auch zu mir …« Matteo stockte wieder und starrte vor sich hin, als müsste er in diesem Augenblick alles noch einmal erleben. »Geh weg, geh weg, du … du … du Schwein!«
Agnes nahm Matteo
Weitere Kostenlose Bücher