Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
Rhys.
Ihre Ohnmacht.
Das Krankenzimmer der St Dewi’s roch nach Desinfektionsmittel. Das war das Einzige, was Rhys Llewelyn auffiel, als er mit Winter auf den Armen eingetreten war.
Der ganze Rest – die Wände in deprimierendem Krankenhausgrün, das durch ein einziges Fenster einfallende Licht, der Linoleumfußboden – hatte nicht die geringste Bedeutung für ihn.
Mach die Augen auf , wiederholte er zum x-ten Mal tonlos und warf einen raschen Blick zur Tür.
Der Schularzt war im Vorzimmer, zusammen mit dem von Cameron getroffenen Torhüter. Glücklicherweise war die Verletzung weniger schlimm, als auf den ersten Blick befürchtet, er würde dem Jungen bloß etwas Eis auflegen und sich dann um Winter kümmern. Er hatte Rhys klar zu verstehen gegeben, dass er ihn bei seiner Rückkehr nicht mehr anzutreffen wünschte.
»Beweg die Schulter erst mal nicht. In ein paar Stunden wird der Schmerz abklingen«, sagte er eilig.
Ich bitte dich, Winter , wiederholte der Junge, während die Schritte des Arztes bereits näher kamen. Die Türklinke wurde heruntergedrückt.
Rhys hatte nicht vor, das Feld zu räumen.
»Du bist Rhys Llewelyn, nicht war?«, fragte der Arzt.
Winter war ihm noch nie begegnet, doch seine charakteristische Art, die Wörter in die Länge zu ziehen, war sprichwörtlich an der St Dewi’s.
Sie hielt den Atem an, während sie auf Rhys’ Reaktion wartete.
»Ja, Sir.«
Seine Stimme war ruhig, wie gewöhnlich.
»Dann haben also auch die Nox ein Herz …«, erwiderte der Mann.
Winter widerstand der Versuchung, die Augen zu öffnen, und stellte sich sein Lächeln vor.
»Jetzt solltest du aber besser gehen. Das Mädchen muss behandelt werden.«
»Winter«, murmelte Rhys ungeduldig. »Ihr Name ist Winter Starr.«
Winter wusste mit absoluter Sicherheit, dass der Arzt nicht besonders interessiert nickte.
»Ich wollte mich nur versichern, dass ihr nichts fehlt.«
Winter öffnete die Augen einen Spalt weit, um die beiden heimlich zu beobachten. Der Schularzt war ein kleiner, fahriger Mann. Der breite, braune Schnurrbart verlieh ihm ein lustiges Aussehen.
»Ob du es glaubst oder nicht, das Einzige, was sie braucht, ist meine Behandlung«, erwiderte er und fixierte scharf den Jungen, der vor ihm stand. »Sie ist in Ohnmacht gefallen und ich habe einen Studienabschluss in Medizin.«
Er ging an Rhys vorbei und Winter schloss rasch die Augen wieder, damit die beiden nicht merkten, dass sie wach war.
Die kühle, raue Hand des Mannes legte sich auf ihre Stirn, doch er nahm sie sogleich wieder weg.
»Seltsam«, kommentierte der Arzt. »Ein Absinken des Blutdrucks müsste die Körpertemperatur eigentlich senken … Doch das Mädchen glüht.«
Vielleicht gelten für diejenigen, die nicht vollständig dem Menschengeschlecht angehören, etwas andere Regeln , dachten Rhys und Winter in perfekter Übereinstimmung.
»Ich hole das Fieberthermometer …«
Winter bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht und beschloss, die Komödie noch etwas länger hinzuziehen, während der Arzt sich entfernte.
Ein Luftzug und ein unvermittelter Schauer machten ihr klar, dass es ihr nicht gelungen war, Rhys hinters Licht zu führen.
»Wenn du mir sagst, dass es dir gut geht, schicke ich ihn weg«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Oder ich gehe, wenn du willst.«
Die Verlegenheit trieb ihr die Röte in die Wangen, aber sie hatte keine Zeit zu antworten.
»Es geht dir also besser, mein Kind«, stellte der Arzt fest, als er zurückkam.
Winter riss die Augen auf und konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn. »Ja, ich bin wieder okay.«
»Du bist ziemlich dünn«, meinte der Arzt. »Isst du auch genug?«
»Ja, Herr Doktor.«
»Und schläfst du genug?«
»Ja, natürlich.«
Genug, um jede Nacht Albträume zu haben.
»Nimmst du Drogen?«
»Nein, Herr Doktor.«
Der Mann beugte sich über sie und senkte die Stimme. »Wäre es möglich, dass du schwanger bist?«
Winter zuckte zusammen, ihr war unbehaglich wie nur selten zuvor.
»Nur, weil ich ohnmächtig geworden bin?«
»Es gehört zu meiner Pflicht, dich das zu fragen. Und ich brauche auch noch ein paar Angaben zur Gesundheit deiner Eltern …«
Das Mädchen zog die Augenbrauen hoch. Sie sind tot , dachte sie, sagte aber nichts. Und abgesehen davon war mein Vater ein Vampir .
»Herr Doktor, mir geht es gut«, versicherte sie schließlich. »Wirklich. Sie brauchen keine Zeit mit mir zu verlieren.«
Sie setzte sich mit einem energischen Schwung auf und hoffte,
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