Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
ein Hilfsangebot nicht unterschätzen.«
W inter war unruhig.
Das Licht schmerzte in ihren Augen und sämtliche Geräusche erreichten sie wie aus einem Verstärker. Es war, als seien ihre Sinne überreizt, als forderte jeder einzelne ihre volle Aufmerksamkeit.
Sie roch den Duft von Erde und Gras auf dem Footballfeld der St Dewi’s, hörte die Tribünenplätze knarren, auf denen Eleri und Gareth saßen. Die Bewegungsabläufe der trainierenden Spieler mussten langsamer sein als sonst, denn in gewissen Momenten wirkten sie beinahe wie eine Abfolge einzelner Momentaufnahmen.
Es war keine unangenehme Empfindung, doch die Abgespanntheit der vergangenen Tage machte sie fast unerträglich.
Winter hatte das ganze Training durchgehalten, aber jetzt konnte sie es kaum mehr erwarten, sich in die Ruhe ihrer Mansarde zurückzuziehen. Dort würde sie zumindest nicht riskieren, Rhys zu begegnen.
Eleri sprang auf, begeistert über einen gelungenen Spielzug von Trevor Biven.
»Super!«, rief sie. »Nachher müssen wir ihm gratulieren … Trev hat sich wahnsinnig verbessert!«
Winter lenkte ihren Blick wieder zum Spielfeld und verfolgte die nächsten Züge des Freundes.
Trevor rannte und stieß direkt ins gegnerische Feld vor, der Ball schien an seinem Fuß zu kleben.
Andrew Lloyd heftete sich an seine Fersen und versuchte, alle seine Pässe zu verhindern. Er umdribbelte ihn, um ihm den Ball zu entziehen, und ihre Beine kreuzten sich unausweichlich.
Trevor stürzte und schürfte sich die Knie auf.
Der Schiedsrichter pfiff und Lloyd reichte dem Jungen die Hand, um ihn hochzuziehen.
»Entschuldige. Alles okay?«
Trevor streckte beide Beine durch, um die Kniegelenke zu testen, und schenkte dem Gegner sein unwiderstehliches Lächeln. Lloyd bat um eine Pause und sie gingen nebeneinander zur Reservebank.
Gareth erhob sich ebenfalls.
»Ich gehe zu ihm«, verkündete er. »Kommt ihr mit?«
Kurz darauf waren sie mit Trevor beim Trinkbrunnen. Der Junge hatte seinen Kopf unter den Wasserhahn gesteckt, und die nassen Haare klebten ihm am Kopf, umrahmten sein erhitztes und zufriedenes Gesicht.
»Nun, was meint ihr? Das wird ein großartiges Endspiel dieses Jahr!« Er war völlig verschwitzt und sprühte vor Begeisterung. »Ich will euch in der ersten Reihe sehen, ist das klar?«
Gareth klopfte ihm auf den Rücken. »Aber sicher.«
Winter lächelte. Sie würde ebenfalls dabei sein, beschloss sie. Um jeden Preis.
Dann änderte der Wind die Richtung und ließ sie zusammenfahren.
Trevors aufgeschürfte Knie bluteten.
Winter hatte keine Zeit, nachzudenken und zu verstehen, was mit ihr geschah. Ihr Körper bewegte sich wie fremdgesteuert.
Gareth reagierte rein instinktiv. Blitzschnell drehte er sich um und stellte sich zwischen Winter und Trevor.
Durch die abrupte Bewegung kam er kurz ins Wanken, doch dann gelang es ihm, den Arm um Winters Körper zu legen und sie mit aller Kraft festzuhalten.
Eleri riss die Augen auf, dann ging sie zu Trevor.
»Kommt mit«, befahl sie ihm und stieß ihn rückwärts zur Reservebank.
Sie ließ Trevor keine Wahl. Alles war viel zu rasch geschehen, als dass er sich der Gefahr hätte bewusst sein können. Das Lächeln, das eben noch auf seinem Gesicht gewesen war, verblasste und verwandelte sich in Ratlosigkeit.
»Mach schon«, drängte Eleri und hoffte, er würde keine Fragen stellen. »Gleich geht das Training weiter.«
Sie führte ihn zur Gruppe der anderen Spieler und entfernte sich dann langsam, um zu ihrem Bruder zurückzukehren.
»Was zum Teufel …« Trevors Stimme ließ sie innehalten. »Ist Winter schon wieder ohnmächtig geworden?«
»Ich fürchte, ja«, sagte Eleri in bestimmtem Ton. Diese Erklärung würde niemandem schaden und Trevor musste einfach davon überzeugt werden. »Win geht es nicht besonders gut in letzter Zeit. Wir bringen sie jetzt ins Krankenzimmer.«
Man sah dem Jungen an, dass seine Skepsis in Besorgnis umschlug.
Dass er ihre Erklärung so ohne Weiteres akzeptiert hatte, war so unnatürlich, dass Eleri nicht erstaunt war, als sie in der Menge Rhys Llewelyn erkannte, der sie aus der Ferne beobachtete.
Ihre Blicke kreuzten sich für einen Augenblick, dann wandte sich Rhys ab und ging auf Gareth zu.
Winter schlug wild um sich beim Versuch, sich aus den Armen zu befreien, die sie festhielten. Doch sosehr sie auch kämpfte, der Griff lockerte sich nicht.
In ihrem Universum gab es nichts mehr außer dem quälenden Verlangen, das in ihren Eingeweiden wühlte. Der
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