Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
und vorgestern?
Eine ganze Menge, natürlich …
Sie hatte versucht, Trevor anzufallen, und hätte es sogar geschafft, wenn Gareth sie nicht daran gehindert hätte.
Ich habe mich nicht einmal gefragt, ob ich ihm wehgetan habe …
Das plötzliche Schuldgefühl drohte sogar, ihre neue Glückseligkeit zu trüben.
Und dann, was in der Waldlichtung geschehen war …
Nervös löste sie die Haarspange, kämmte sich die Haare mit den Fingern und band sie wieder zusammen. Mit fahrigen Bewegungen rückte sie die Schuluniform zurecht, ihr erhitztes Gesicht rötete sich immer mehr.
Seufzend legte sie die Hand auf die Türklinke.
Sie war überzeugt, dass den Chiplins ein einziger Blick genügen würde, um in ihrem Gesicht all das zu lesen, was sie in den letzten Stunden getan hatte.
Sie zögerte, dann löste sie die Haare wieder, in der Hoffnung, sie würden ihr Gesicht etwas verdecken.
Ein letztes Mal drehte sie sich zu Rhys um, und sein Lächeln gab ihr die Kraft, die Haustür zu öffnen.
Griffith Chiplin hielt inne und begrüßte sie, als sie im Flur an ihm vorbeiging.
»Winnie! Du kommst gerade rechtzeitig zum Abendessen. Hast du Hunger?«
Er hatte denselben himmelblauen Blick wie Eleri und seine Stimme, ebenso wie sein Gesichtsausdruck, war immer freundlich. Er musste eben eine Pfeife geraucht haben, denn das süße Tabakaroma erfüllte noch den Raum.
»Nicht besonders, Griff.«
Bleib ruhig, verdammt!
Mr Chiplin öffnete die Tür zur Küche und ließ sie an sich vorbei.
Winter trat ein und hoffte von ganzem Herzen, dass Gareth und Eleri noch nicht heruntergekommen waren. Sie brauchte etwas Zeit, um sich zu beruhigen.
Es machte sie verlegen, dass sie so glücklich war, und gleichzeitig war sie so angespannt, dass sie sich stocksteif fühlte. Sie hatte noch immer eine Gänsehaut von den Schauern. Sie hielt den Blick starr auf den Fußboden gerichtet und erkannte Gareth an den Schuhen.
»Hallo, Win.«
Die gleichgültige Begrüßung des Jungen zwang sie, ihm ins Gesicht zu schauen.
Sie stellte fest, dass er sie mit ausdruckslosem Gesicht betrachtete.
»Alles okay?«, fragte er dann so leise, dass nur sie es hörte.
Sie nickte.
»Gut«, erwiderte er, doch die Erleichterung auf seinem Gesicht behielt eine bittere Nuance, die ihr wehtat.
»Danke«, sagte sie, als sie an ihm vorbeiging. Sie schuldete ihm viel an diesem Tag.
Eleri war kein Detail der Szene entgangen, und Winter schenkte ihr ein hastiges Lächeln.
Mrs Chiplin, die in einer Pfanne rührte, hielt inne und bedeutete ihr, näher zu kommen.
Es ist so weit … , dachte Winter und ihr Herzschlag beschleunigte sich.
Sie hätte nicht zu sagen vermocht, was sie eigentlich am meisten beunruhigte: Der Pakt verbot jegliche Beziehung zwischen Menschen und Vampiren, und sie hatte ihn inzwischen auf jede erdenkliche Weise gebrochen. Und die Tatsache, dass sie nur zur Hälfte menschlich war, machte die Dinge noch komplizierter.
Winter betrachtete das lächelnde Gesicht von Morwenna Chiplin, ihren liebevollen Ausdruck …
Konnte sie ihr wirklich sagen, dass ein Teil von ihr nach Blut dürstete?
»Deine Großmutter hat vor einer Stunde angerufen«, sagte Mrs Chiplin unerwartet. »Sie hat mich gebeten, dir zu sagen, du sollst sie so rasch wie möglich zurückrufen.«
Das ließ Winter sich nicht zweimal sagen.
Sie rannte in die Mansarde hoch und schloss ihr Handy an das Ladegerät an, um telefonieren zu können.
Beim fünften Klingeln antwortete Marion Starr.
»Oma, geht’s dir gut?«
»Hallo, mein Schatz! Alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen.«
Die warme und vertraute Stimme berührte sie.
»Das Schuljahr ist in ein paar Tagen zu Ende …«
»Ja. Nur noch zwei Tage, dann ist Schluss.«
»Gut. Dann stimmte meine Berechnung«, antwortete die Großmutter. Sie schwieg für einen Augenblick, dann holte sie tief Luft.
»Schlechte Nachrichten?«
»Nein, ich hoffe nicht. Lochinvar und Fennah haben ein Treffen für Freitagabend festgelegt, Winnie.«
Winter ließ sich auf das Bett fallen. »Ich nehme an, wir können nicht ablehnen.«
»Es tut mir leid, mein Schatz.«
D as Riesenrad drehte sich träge, aber unablässig im Londoner Nachthimmel. Kein Wunder, dass es London Eye genannt wurde: Die schillernde Beleuchtung ließ es wie ein riesiges farbiges Auge erscheinen, das auf die Stadt gerichtet war. Sogar die Themse zu seinen Füßen funkelte im Widerschein der glitzernden Lichter.
Als die Kabine unten ankam, trat Malcolm Dougall von der Glaswand
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