Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. »Und ehrlich gesagt, ist es mir auch egal. Ich bin unerträglich und steh dazu …«
»Wie du willst.«
Madison gab dem Barkeeper, einem Jungen mit kahl geschorenem Kopf und dem Gesicht voller Piercings, ein Zeichen, dann stützte sie sich mit den Ellbogen auf den Tresen und wartete auf ihren Drink.
»Hier, für dich, Mad.«
Sie schenkte dem Barkeeper ein breites Lächeln und begann, mit dem Trinkhalm zu spielen, quirlte Eiswürfel und Pfefferminzblätter.
»Wichtig ist nur, dass du Winter den Abend nicht verdirbst, Gareth. Sie muss wissen, dass sie auf ihre Freunde zählen kann.«
Gareths Gesicht verdüsterte sich. »Ist doch klar, dass sie auf uns zählen kann. Wenn ich ihr den Abend hätte verderben wollen, wäre ich weniger freundlich gewesen mit Llewelyn.«
Madison warf ihm einen amüsierten Blick zu. »Ja, du benimmst dich vorbildlich für jemanden, der eifersüchtig ist.«
Der Junge machte den Mund auf, um zu widersprechen, doch dann schloss er ihn wieder.
»Okay. Aber es ist nicht nur deswegen …«, sagte er dann. »Tatsache ist, dass sie total unverantwortlich handeln, und Winter tut immer noch so, als wäre nichts. Ich müsste eigentlich eingreifen, sie trennen, und nicht nur, weil ich verdammt Lust dazu hätte … Aber ich schaue weiterhin zu und tue so, als hätte ich nichts kapiert, und unternehme nicht das Geringste.«
Er schwieg unvermittelt und fragte sich, wann er diese Entscheidung eigentlich getroffen hatte, in welchem verdammten Moment in diesen absurden Wochen.
»Und warum?«, fragte Madison.
»Weil ich weiterhin ihr Freund sein will, und das bedeutet, dass ich nicht dazwischentreten darf. Und weil Win nicht menschlich ist.«
Dies war der eigentliche Grund.
›Bilde dir nicht ein, sie sei menschlich …‹ Llewelyn hatte ihn gewarnt. Und in dem Moment, als Winter sich auf Trevor gestürzt hatte, hatte er es endlich akzeptieren müssen.
»Doch sie ist und bleibt Winter. Ich verstehe dich, weißt du? Es wäre einfacher, wenn sie sich verändert hätte, nachdem sie all die Dinge erkannt hatte, wenn wir aus ihrem Leben verschwinden könnten, weil sie anders geworden ist, oder wenn sie uns irgendwie hintergangen hätte. Aber so ist es nicht.«
Madison legte ihm eine Hand auf die Schulter und er verkrampfte sich für einen Augenblick.
»Ich habe diesen Abend organisiert. Und deshalb ist es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass auch du ihn genießt, Gareth Chiplin.«
Der Junge musste gegen seinen Willen lächeln.
Als die Band, für die sie die Vorgruppe waren, auf die Bühne kam, packten die Sin-derella ihre Instrumente zusammen und verließen das Lokal. Madison und Gareth folgten ihnen plaudernd, und auch Winter stieß, Hand in Hand mit Rhys, auf dem Parkplatz zu ihnen.
»Ihr wart spitze!«, sagte sie.
Kenneth Winston, Madisons Bruder, antwortete ihr mit erhobenem Daumen.
»Und?«, fragte er. »Habt ihr irgendetwas Vergleichbares in eurem verlorenen Nest?«
Die Provokation war so freundschaftlich, dass Gareth auflachte.
»Machst du Witze? Bei uns hat sich noch nicht mal die Erfindung des Plattenspielers durchgesetzt, geschweige denn elektrische Gitarren!«
Kenneth lachte mit ihm.
»Wie lange bleibst du hier?«, fragte er dann. »Gib uns eine Woche, Landei, und wir machen einen waschechten Londoner aus dir!«
»Das ist einen Versuch wert«, erwiderte Gareth zum Erstaunen aller. »Aber ich warne euch: In einer Woche werdet ihr alle besser Walisisch sprechen als meine Schwester.«
Ja , dachte er. Warum eigentlich nicht? Wieso sollte er sich nicht eine Woche Urlaub gönnen?
Keine Vampire, keine Familien, für sieben lange Tage …
»Ja. Ich denke, das lässt sich machen.«
Winter warf ihm einen erstaunten Blick zu. Zum ersten Mal an diesem Abend schien sie seine Anwesenheit überhaupt wahrzunehmen, und er genoss ihre Verblüffung auf eine leicht sadistische Weise.
»Super«, erklärte Madison. »Zunächst aber holen wir uns etwas zu essen, ich habe einen Mordshunger!«
Kenneth überlegte einen Augenblick. »Take-away vom Chinesen, und dann essen wir in unserem Probenraum.«
Winter spürte den Drang zu widersprechen. Sie war glücklich, mit ihren Freunden zusammen zu sein, doch sie befürchtete langsam, dass es Rhys und ihr nicht gelingen würde, auch nur eine Minute allein zu sein.
Das schaffen wir schon , beruhigte Rhys sie direkt in ihren Gedanken.
Ihn in ihrem eigenen Kopf sprechen zu hören, kam ihr inzwischen richtig und
Weitere Kostenlose Bücher