Silver - Erbe der Nacht (German Edition)
ihnen.
»Der Pilot versichert uns, dass wir landen werden, bevor uns die Schlechtwetterfront erreicht«, informierte Malcolm Dougall sie.
Er trug einen eierschalenfarbenen Leinenanzug, der ihm das etwas altertümliche Aussehen eines vornehmen Herrn aus den Überseekolonien verlieh.
Winter nickte ausdruckslos.
Sie wusste nicht, wie sie sich diesem Mann gegenüber verhalten sollte: Er behauptete, ein Freund ihres Vaters gewesen zu sein, doch sie kannte ihn nicht genug, um ihm vertrauen zu können.
»Wo werden wir landen? Wir sind seit Stunden unterwegs und ich weiß immer noch nicht, wohin wir eigentlich fliegen …«
»Auf die Insel deiner Unterweisung.«
Oh, vielen Dank! Winter machte ein schiefes Gesicht.
Dies war überhaupt ein sehr unsympathischer Aspekt am Ganzen. Die Familien und der Orden hatten sie sechzehn Jahre lang über alles im Dunkeln gelassen, und jetzt hatten sie die glorreiche Idee, sie einem Unbekannten zu übergeben, damit er sie lehrte, wie sie mit ihren besonderen Fähigkeiten umgehen sollte.
Bethan Davies, die einzige andere Flugpassagierin, lächelte ihr verständnisvoll zu …
Aber nicht einmal die Gewissheit, dass sie Bethan für die Zeit ihrer Unterweisung bei sich haben würde, hob ihre Stimmung.
»Wir sitzen in einem Hubschrauber«, beharrte sie. »Glaubt ihr, ich würde runterspringen, falls mir der Zielort nicht gefallen sollte?«
Der Vampir schwieg so lange, dass sie vermutete, er wolle bewusst ihre Geduld testen.
»Nun gut, junge Dame«, antwortete er schließlich. »Wir sind unterwegs zu den Shetlandinseln, zu einer der kleinsten, um genau zu sein.«
Er nannte den Namen dieser Insel, aber das Dröhnen des Motors übertönte ihn, sodass Winter ihn nicht verstand.
»Die Bewohner der Insel nannten sie einst einfach Aigeadach oder Silvery Island. Ich glaube, es wohnt nun seit fast einem Jahrhundert niemand mehr auf der Insel.« Er warf ihr ein ziemlich provokantes Lächeln zu. »Das bedeutet, dass wir drei dort ganz unter uns sein werden …«
»Genau die Art Urlaub, von der jedes Mädchen träumt«, erwiderte Winter.
Dougall zuckte die Achseln. »Mit Sicherheit genau das, was ein komplizierter Fall wie du erfordert. Hier riskierst du wenigstens nicht, jemandem etwas anzutun. Den positiven Aspekt der Dinge zu sehen gehört wesentlich zum Glücklichsein.«
Winter schoss die Röte ins Gesicht und sie fragte sich, ob ihm jemand von Trevor und ihren Träumen erzählt haben könnte. Dann wurde ihr klar, dass der Ausdruck ihres Meisters sehr eigenartig war.
»Wieso? Könnte es passieren? Ich meine, dass ich jemandem etwas antue?«
»Nicht auf dieser Insel. Und wenn wir Glück haben, auch nicht, wenn du diese Insel wieder verlassen wirst. Du hast außergewöhnliche Fähigkeiten, und ich hoffe, dass du lernen wirst, sie zu kontrollieren.«
Winter schwieg. Sie wusste nicht, was sie mehr befremdete, Dougalls Art oder seine Intuitionen.
»Den DURST zu beherrschen ist für jeden Vampir schwierig, vor allem, wenn man so jung ist wie du.«
Winter starrte ihn mit großen Augen an. »Ich bin kein Vampir!«, protestierte sie vehement.
»Doch, zur Hälfte schon«, widersprach Dougall ironisch. »Und ich möchte dich bitten, das nicht mit solcher Empörung zu sagen. Es ist keine Schande, trotz aller Dummheiten, die du von den Familien gelernt hast.«
Winter spürte, wie sie errötete. »Natürlich nicht. Und die Chiplins haben mir überhaupt keine Dummheiten vermittelt. Ich wollte damit nur sagen, dass in mir der menschliche Anteil größer ist als der vampirische. Zumindest war das immer so …«
Bis vor wenigen Tagen , fügte sie innerlich hinzu. Sie fühlte sich wie auf dem Sprungbrett beim Versuch, das Gleichgewicht zu halten. Dougall konnte ihr vielleicht wirklich helfen, aber ihm anzuvertrauen, was mit ihr geschah, wäre wie ein Sprung ins Ungewisse.
Der Vampir sah sie weiter regungslos an, die Augen tief in ihre versenkt. Er schien ihre Seele auszuloten.
»Und hast du nicht den Eindruck, dass die Dinge sich ändern könnten?«, fragte er unerwartet freundlich. »Hast du noch nie den Ruf des Blutes vernommen?«
»Dougall!«, schaltete Bethan sich mit vorwurfsvollem Ton ein. Sie beugte sich auf ihrem Sitz nach vorn und lehnte sich zwischen die beiden, so weit der Sicherheitsgurt es ihr erlaubte.
»Das ist eine Frage, die nicht unbeantwortet bleiben kann, Mrs Davies.«
»Oh, doch. Wir haben noch nicht einmal einen Fuß auf die Insel gesetzt, und Sie bringen sie bereits aus
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