Silver Moon
und im schlimmsten Fall vertrieben! Dabei brauche ich dich so sehr! Du musstest selbst bemerken, wer oder was ich bin! Wie bist du eigentlich so plötzlich darauf gekommen? Ich dachte, bei Brock, als der Mond aufzog, und du mich im Arm hieltst, das war’s! Der Mond wurde immer voller und ich spürte die Verwandlung herannahen … Wäre Eyota nicht aufgetaucht, dann hättest du es mit ansehen müssen – nicht auszudenken! Ich befürchtete, du würdest eher zu Brock laufen, als den Zustand anzuerkennen, dass ich zur Hälfte ein Wolf bin!«
»Komisch … selbst da habe ich es nicht bemerkt, oder nicht sehen wollen! Ich wusste zwar schon immer, dass irgendetwas seltsam war, dass es ein Geheimnis gab, das niemand preisgeben wollte. Aber all das ist so unglaubwürdig, dass ich nie gewagt hätte, diese Schlussfolgerung zu ziehen! Im Endeffekt waren es deine Worte, die mir die Augen öffneten. Als du sagtest, Brocks Kugel sei für dich bestimmt gewesen. Das war sie ja gar nicht, oder doch … Oh Gott, stell dir nur vor, er hätte geschossen!«
»Das hätte er auch ohne Wimpernzucken getan, wenn du mich nicht mit aller Macht geschützt hättest! Und nicht mich hast du in diesem Moment geschützt, sondern nur einen Wolf!«
»Nein! Keinen Wolf! Ich liebe Sakima, ihn , dich …«
Ich war vollkommen verwirrt. Yuma schloss mich fest in seine Arme und begann mich zu küssen. Alle Anspannung verflog aus meinem Körper, all meine Bedenken lösten sich in Luft auf, als ich seine Lippen auf meinen spürte. Das Leben konnte so wundervoll und einfach sein. Ich genoss Yumas Zärtlichkeit und vergaß gar unser Gespräch. Ich lag ergeben in seinen starken Armen, seine Hände streichelten mich, seine Zunge verwöhnte mich. Es hätte nicht schöner sein können, bis nach einer kleinen Ewigkeit mein Gewissen erwachte. »Wann ist es so weit, ich meine, wann wirst du wieder zum Wolf?«
Yuma blickte auf die Uhr, es war kurz nach zwei in der Nacht.
»Gute drei Stunden bleiben mir noch, bis die Sonne aufgeht. Im Sommer habe ich leider wenig Zeit als Mensch, im Winter sind die Nächte länger, da ist es besser!«
»Wirst du wieder in die Scheune gehen?« Yuma schüttelte den Kopf. »Nein, wenn es dich nicht zu sehr schockiert, bleibe ich hier!«
»Also ist es egal, wo du bist? Diese Verwandlung hat nichts mit der Scheune oder einem bestimmten Ort zu tun?«, vergewisserte ich mich. »Nein, es geschieht immer und überall, egal, wo ich mich aufhalte! Einzig die Gestirne bestimmen den Zeitpunkt.«
»Tut es weh? Was geschieht dabei mit dir?«, erkundigte ich mich voller Naivität. »Es tut nicht weh und es geht auch ganz schnell, es sind nur Sekunden. Für mich wurde die Verwandlung in all den Jahren zur Normalität. Ich spüre ein Prickeln, kurz bevor es so weit ist. Wenn dieses Gefühl den Höhepunkt erreicht, bin ich auch schon im Körper des Wolfes und sehe meine Umgebung aus einer anderen Perspektive, aber das ist auch alles. Am meisten stört es mich, dass ich als Wolf nicht reden kann!«
»Und nachts wirst du immer wieder zum Mensch? Dann warst du damals in der Hütte im Wald auch ein Mensch während der Nacht? Du warst dort ganz alleine … du warst verletzt! Ich habe dir Hundefutter und Kauknochen gebracht!«, sagte ich entsetzt.
Yuma lächelte. »Aber auch einen Braten und Hähnchen! Und ja, nachts hatte ich natürlich meine menschliche Gestalt. Ich habe die Zeit in der Hütte genutzt, um die Flöte zu schnitzen und den Traumfänger zu basteln. Kira, du hast dich ganz wundervoll um mich gekümmert, ohne dich würde es mich vermutlich gar nicht mehr geben!«
»Ab sofort verlässt du tagsüber den Hof deiner Familie nie wieder, NIE WIEDER! Hast du verstanden? Ich lass es nicht zu, dass dir jemand wehtut, dich verletzt oder noch schlimmer! Es ist einfach zu gefährlich als Wolf!«, machte ich meinen Standpunkt klar.
»Na, sieh einer an. Aber ich sollte dich einfach so zu diesem Irren gehen lassen, mit dem Wissen, dass er dich …« Yuma schüttelte den Kopf und biss sich auf die Lippe, dann machte er einen Vorschlag.
»Ich werde als Sakima den Hof nicht mehr verlassen, wenn du dich von Brock und deinem Vater fernhältst! Gehst du zu einem von den beiden, tue ich es auch, um dich zu holen – ganz egal, ob ich Mensch oder Wolf bin! Abgemacht?« Ich nickte zustimmend. Ich wollte weder meinen Vater noch Brock je wiedersehen.
»Okay, so machen wir es! Erzählst du mir noch, wie es überhaupt dazu kam, dass du zu einem Wolf wurdest?
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