Silver Moon
Erschrocken schaute ich Yuma an … Oh, mein Gott!
Das Erwachen in mir entging ihm nicht. »Lass uns in die Hütte gehen; ich glaube, wir haben eine Menge zu bereden!«, sagte er.
Aufklärung
Wie in Trance folgte ich ihm. Derweil überschlugen sich meine Gedanken. Unentwegt musste ich an Sakima denken … und Yuma … und beide! Aber so etwas war doch unmöglich! Ja, sie hatten genau die gleichen Augen! Und ja, sie erschienen nie zusammen. Ging der eine, kam der andere … aber trotzdem! Ich schüttelte den Kopf und ließ mich rückwärts aufs Bett fallen. Ich zog noch nicht mal das blutige Shirt aus. Ich war verwirrt und fasste mir an die Stirn. Entweder wurde ich allmählich verrückt oder ich musste träumen – anders konnte ich mir die gegenwärtige Situation nicht erklären.
»Siehst du nun ein, dass es kompliziert ist? Und verdammt schwer zu verstehen?«, wollte Yuma wissen und setzte sich zu mir aufs Bett. Ich nahm meine Hände vom Gesicht und sah ihn an. Ich wollte etwas sagen, fand aber nicht die passenden Worte. Stattdessen schüttelte ich abermals meinen Kopf und dachte zurück an die Situation bei Brock: Ich hatte Sakima schützend im Arm gehalten, bis Eyota gekommen war, und war nur kurz aufgestanden, um nach dem Pferd zu sehen. Als ich mich wieder herumgedreht hatte, war Sakima verschwunden gewesen; statt seiner hatte Yuma plötzlich dagestanden! Das waren nur Sekunden gewesen!
»Wo ist Sakima?«, fragte ich leise. Yuma holte tief Luft, ehe er antwortete. »Er ist … hier, sozusagen!«
Ich setzte mich hin, um Yuma besser ansehen zu können. Wir schauten uns eine Weile schweigend in die Augen. »Hier? Wo ist sein Körper? Wo ist er, ich meine …«, wisperte ich kläglich und wusste einfach nicht, wie ich mich ausdrücken sollte.
Yuma fielen die Antworten genauso schwer wie mir die Fragen.
»Sakima ist … er ist … ein Teil von mir; ihn an sich gibt es so gar nicht!«
In der Hütte herrschte eine Totenstille. Selbst meinen Atem hielt ich kurzweilig an. Es war unbegreiflich, ich konnte das nicht verstehen! »Ihn gibt es nicht ? Aber ich sehe ihn doch immer! Wieso gibt es ihn dann nicht? Ich meine, das ist … Wie nur?«, stotterte ich fassungslos. »Vielleicht sollte dir das besser Tunkasila erklären!«
»Ich will es aber von dir hören! Du weißt es doch mindestens genauso gut wie er!« Yuma nickte einsichtig und wollte gerade zu reden beginnen, als es an der Tür klopfte. Anouk spähte zur Hütte hinein. »Hallo! Ich wollte dir nur ein paar frische Klamotten bringen, Kira! Du hast ja kaum etwas an, und da dachte ich …«, sagte sie zaghaft und hielt einen prall gefüllten Beutel hoch.
»Komm doch rein!«, bot Yuma an. Er schien sichtlich erleichtert zu sein, mir augenblicklich nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. »Wir haben ja fast die gleiche Größe, also habe ich dir einige Sachen von mir zusammengesucht. Da ist alles drin, was du brauchst, von Strümpfen angefangen bis zu einer Jacke, zwei Nacht- hemden übrigens auch, und Schuhe! Du hast ja nichts an den Füßen«, erzählte Anouk und reichte mir den Beutel. Dann deutete sie auf mein Shirt.
»Wo kommt das Blut her? Dieser Brock hat doch nicht etwa …«
»Nein! Es ist Eyotas Blut!«, klärte ich sie auf und Anouk atmete erleichtert aus. »Puh, ich dachte schon … na ja, nach dem was Nino so erzählt hat! Kira, halte dich bloß von diesem Kerl fern! Ihr bleibt jetzt alle bei uns und meidet diesen Irren, euren Vater ebenfalls! Dad wird morgen dein Auto holen, und neue Klamotten kaufe ich für euch, aber haltet euch bitte von dem, was ihr Zuhause nennt, fern!«, warnte sie und Yuma nickte die ganze Zeit zustimmend.
Anouk schaute mich weiterhin kritisch an. Ihre Augen suchten meinen Körper ab; ihr Blick fiel auf meine schmutzigen Füße, die nackten Beine, das zerfetzte Shirt … zudem war meine Lippe ge- schwollen. Magnus hatte ziemlich hart zugeschlagen.
»Kira, geht’s dir wirklich gut?«, erkundigte sie sich voller Mitgefühl. Ich nickte, aber vermied es, sie anzusehen. »Ja, ich bin okay, und hab vielen Dank für die Sachen! Ich geh mich dann mal kurz umziehen«, ließ ich beide wissen und verschwand mit Anouks Beutel im Badezimmer. Ich genehmigte mir eine ausgiebige Dusche. Das warme Wasser half mir, klarer denken zu können, und ich fühlte mich nicht mehr so schäbig. Dieses Wohlgefühl steigerte sich noch, als ich die Kleidung anzog. Ich wählte das fliederfarbene lange Nachthemd und kroch endlich wieder in einen
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