Silvermind (German Edition)
in der Hand, in dem zuvor Wodka mit Waldmeister gewesen war. Es musste ungefähr das Dritte sein. Letzte Tropfen giftgrüner Flüssigkeit hatten sich auf dem Grund des Glases gesammelt.
Wenn er ehrlich war, wollte er verschwinden. Nero hatte keine Lust mehr in dem Schuppen zu hocken, mit Gedanken, die ihm das Hirn zermarterten. Über deren Ursprung wollte er genauso wenig nachdenken, wie über die Person, um die sie sich drehten. Im Endeffekt sagte er sich immer wieder, dass ihn diese ganze Sache nichts anging. Da Sympathie jedoch eine Rolle spielte, war gänzliches Heraushalten für ihn unmöglich. Mit einem bitteren Nachgeschmack im Mund wurde ihm bewusst, dass er es von Anfang an geahnt hatte. Dass Ray in die Band gekommen war, hätte nie gut ausgehen können.
„Willst du noch einen?“, wurde Nero von der Seite angesprochen, quittierte diese Frage allerdings mit einem Kopfschütteln. Egal wer es war, Nero wollte momentan einfach seine Ruhe haben.
„Wann soll ich dann meine Schuld bei dir einlösen?“ Das brachte ihn dazu, sich zu drehen. Er sah direkt in rauchgraue Augen. Diesen Kerl wollte er als Allerletztes sehen.
„Mit ´Green Power` hat alles angefangen, oder? Dann wird es damit auch enden“, meinte er dunkel, den Blick wieder abgewandt.
„Das heißt?“
„Falls du die Band irgendwann verlassen solltest, lass es mich durch ein Glas von diesem Suff wissen.“
Daraufhin blieb es eine ganze Weile still, bis Nero aus dem Augenwinkel wahrnahm, dass Ray sich auf den Barhocker unmittelbar neben ihm setzte.
„Ist dieses Ende für dich absehbar?“
Nero zog eine Augenbraue hoch. „Annehmbar“, meinte er abgehackt.
„Bis zum heutigen Tage habe ich weder von dir noch von eurem Manager einen Vertrag bekommen“, entgegnete Ray.
„Ist das die Rechtfertigung für deine vermutlich spätere Entscheidung?“, knurrte Nero und wandte sich ihm wieder zu. Ray hatte einen Ellenbogen auf dem Tresen abgestützt, sah ihn an.
„Nein.“
„Was dann?“
„Ich habe nichts anderes erwartet. Mehr nicht.“
„Deswegen bringst du es zur Sprache?“, stieß Nero aus, in keiner Weise überzeugt.
„Vielleicht. Vielleicht dachte ich auch, dass du dich in dieser Angelegenheit mehr einsetzen würdest, statt dich um meine Schwester zu kümmern.“ Innerlich kochend schwieg Nero daraufhin verbissen. „Als Leader ist es deine Aufgabe, mir zu sagen, ob ich offizielles Mitglied bin oder einzig als Schoßhündchen gehalten werde. Das hast du nicht. Dein Hilfsangebot war bisher leere Luft.“
„Ich brauche niemanden, der mir Vorschriften macht.“
„Ich nenne Tatsachen, Nero.“
„Scheiße, ich bin nicht für dein Leben verantwortlich!“
„Stimmt. Mich wundert nur, warum du dich so brennend heiß dafür interessierst.“
„Leck mich, Ray. Dein Leben geht mir getrost am Arsch vorbei. Deine Schwester hat sich Sorgen gemacht und ich habe nicht mehr getan, als ihr Gehör geschenkt. Wie oft du von deinem Alten eine aufs Maul bekommst oder mit welchen Dämonen du dich plagst, ist nicht mein Problem und wird es auch nie sein. Alles was mich interessiert, ist, ob du einen guten Job machst. Was anderes brauche ich nicht von dir.“
Sobald die Worte seinen Mund verlassen hatten, wurde Nero bewusst, was er Ray an den Kopf geschmissen hatte. Er atmete schwer, aufgebracht von den Gefühlen, die in ihm tobten. Am liebsten hätte er laut geschrien. Aber es gab nichts, was die Worte mildern konnte, die Ray massiv getroffen hatten.
Dunkler Schmerz zuckte eines Blitzes gleich über dessen Gesicht und erlosch in dem Ausdruck seiner Augen. Emotionslos, stumpf blickte Ray ihm entgegen. Für diesen Moment ertrank alles in Schweigen um ihn herum. Es gab einzig diesen intensiven Blickkontakt, der Nero alles und zeitgleich nichts zeigte.
„Ich werde Lora ausrichten, dass sie sich in Zukunft an jemand anderen wenden soll, wenn sie reden will. Dich wird sie damit nie wieder belästigen“, meinte Ray tonlos.
„Ray.“
„Sie muss dich sehr mögen, sonst hätte sie sich dir nicht anvertraut.“
„Ray!“
Aber der reagierte nicht auf Nero. Stattdessen glitt er scheinbar völlig ruhig vom Barhocker und verließ das Lokal.
„Scheiße!“, brüllte Nero, schmiss Geld auf den Tresen und lief ihm hinterher.
***
Kapitel 12 – Ray
Es war eine stille, finstere Nacht. Weder Sterne noch der Mond waren am Himmel sichtbar, der Blick auf diese war von schweren, grauen Wolken versperrt. Ray atmete
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