Silvermind (German Edition)
das abgelegen von den anderen stand. Ray hielt den Wagen an, schaltete den Motor aus und zog die Schlüssel ab.
„Ab jetzt kommst du alleine klar, oder?“, meinte Ray und drückte dem Kerl die Schlüssel in die Hand.
„Ja.“
„Gut.“
Schweigen breitete sich im Wageninneren aus. Ray trommelte mit den Fingern in einem stummen Takt auf das Lenkrad, überlegte, wie er aus der Siedlung kommen sollte. Nero schien nicht ins Haus gehen zu wollen. Nur gleichmäßiger Atem erfüllte die Luft um sie herum. Erst nach einer ganzen Weile wandte sich Nero ihm zu.
„Ray?“
„Ja.“
„Es tut mir leid.“
Ray lehnte den Kopf gegen die Stütze. Neros Stimme klang aufrichtig, was ihn in Versuchung brachte, dem dieses Mal Glauben zu schenken. Aber er wollte es nicht. Das, was Nero gesagt hatte, hatte ihn schwerer getroffen, als vermutet. Die Worte nagten an seinem Inneren. Zudem hatte die Autofahrt nicht dazu beigetragen, dass Ray bereit war, zu verzeihen.
Das Schweigen musste Antwort genug für den Kerl gewesen sein, denn er öffnete die Tür und stieg aus. Ray tat es ihm gleich. Über die Motorhaube hinweg hielt Nero Blickkontakt.
„Komm mit. Ich biete dir ein Bett für die Nacht. Um die Uhrzeit fährt hier nichts mehr. Ich würde dir das Auto geben, aber ich will, dass du hier schläfst. Du wohnst am anderen Ende der Stadt. Zudem … wärst du nicht alleine.“
„Ich denke, dass das keine gute Idee ist.“
„Ray, ich habe ein , nicht mein Bett gesagt. Was willst du sonst machen?“ Draußen schlafen, ging es ihm durch den Kopf, aber es war zu kalt dafür. Er musste sich eingestehen, dass er keine anderen Optionen hatte. Zudem war er müde und hatte keine Lust, zu dieser Stunde erneut mit dem Idioten zu streiten.
„Okay“, meinte er ergeben. Nero nickte.
Im Haus angekommen, in dem mindestens zwei weitere Mietparteien wohnten, sah Ray nichts als … Schwärze. Der Lichtschalter im Flur funktionierte nicht, sodass er sich an der Silhouette von Nero orientierte. Bis ein dumpfes Geräusch ertönte, die Umrisse plötzlich verschwanden und der Leader vor ihm aufkeuchte. Abrupt blieb Ray stehen.
„Nero?“
„Hier unten“, stöhnte der. Ray konnte nicht umhin, sich still darüber zu amüsieren. Dass Nero gestolpert war, geschah ihm recht.
„Heb die Hand, ich helfe dir hoch“, meinte er dennoch und streckte den Arm aus. Tastende Hände durchwanderten die Finsternis, bis sie einander berührten. Ray griff zu, umfasste das dargebotene Gelenk und half Nero beim Aufstehen. Mit der Hand die warme Haut spürend, wurde ihm bewusst, wie nah sich ihre Körper waren. Die Dunkelheit verbarg die Unsicherheit, die Ray in dem Moment empfand. Heißer Atem strich über sein Gesicht, seinen Hals, verursachte ihm Gänsehaut. Der dunkle, nach Gefahr schmeckende Duft Neros stieg ihm in die Nase. Ray sog ihn mit einem langen, leisen Atemzug in die Lunge. Ein Schauer rann ihm über den Rücken, wie ein langsames, quälendes Ziehen kleiner Stiche.
„Danke.“ Es war kaum mehr als ein Raunen, das Ray von Nero vernahm. „Kein Problem“, stieß er heiser aus und zwang sich dazu, das Handgelenk loszulassen. Innerlich rang er zwischen Abneigung und Anziehung, die er gleichermaßen für Nero empfand.
Die nächsten Minuten schwieg Ray, während der Kerl die Eingangstür zur Wohnung aufschloss, das Licht anmachte und ihm eine kurze Einweisung gab, wo sich Küche, Bad und Wohnzimmer befand. Von alldem bekam Ray wenig mit. Er war damit beschäftigt, Nero zu mustern, statt sich den Grundriss der Wohnung einzuprägen. Im Prinzip war es ihm egal, wie dieser aussah, denn es wäre eine einzige Nacht, die er hier verbrächte. Danach würden sie wie bisher getrennte Wege gehen, was in Anbetracht ihrer ständigen Streitigkeiten nicht die schlechteste Entscheidung war.
„Hörst du mir zu?“ Ray riss den Kopf nach oben. Nero stand in der Tür zum Wohnzimmer, den Arm am Rahmen abgestützt, eine Augenbraue in die Höhe gezogen.
„Sorry. Was hast du gesagt?“
„Du schläfst hier.“ Damit deutete Nero auf das Sofa, das im Raum stand. „Ich schlafe nebenan meinen Rausch aus. Falls was ist ...“
„Klar, danke.“
„Tja dann … schlaf gut.“
Nero stieß sich vom Rahmen ab. Ray nickte ihm zu, dann verschwand er im Wohnzimmer. Kaum das er saß, merkte er die Müdigkeit, die auf ihm lastete. Ray gähnte herzhaft, rieb sich über das Gesicht und sah sich um. Kissen und Decken waren da, das Polster war bequem. Die
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